Was macht man mit einem Wunderkind, das kein Wunder mehr ist? (S. 510)
Mit "Tote Seelen singen nicht" kehrt das Sonderdezernat Q unter neuer Konstellation zurück. Der Roman wurde (erstmals) nicht allein von Jussi Adler-Olsen geschrieben, sondern gemeinsam mit Stine Bolther und Line Holm. Übersetzt wurde er von Friederike Buchinger und ist im Oktober 2025 im Penguin Verlag erschienen. Im Mittelpunkt steht ein neuer Fall, der das Team in die Vergangenheit eines Sängerinternats führt, während Carl Mørck selbst nach seiner Haftzeit offiziell den Dienst quittiert hat und eine neue Ermittlerin im Keller des Dezernats auftaucht.
Schon nach wenigen Seiten war für mich klar: Das hier ist kein "klassischer" Q-Fall, sondern ein Band, der die Reihe neu sortiert. Und das merkt man. Der Fokus verschiebt sich, Carl tritt zurück, Helena Henry betritt die Bühne und Rose sowie Assad reagieren darauf gewohnt emotional und herrlich eigensinnig. Positiv überrascht hat mich der Schreibstil. Der ist nämlich... genau wie mans kennt! Trotz dreifacher Autor:innenschaft liest sich das Buch, als käme es aus einer Hand und der typische Q-Tonfall ist da: leicht ironisch, manchmal etwas derb und schnörkellos.
Aber so solide die Sprache, so durchwachsen war für mich dann die Handlung. Die Story hat für mich einige Längen, gut hundert Seiten weniger hätten dem Roman meiner Meinung nach gutgetan. Der Fall selbst ist zwar atmosphärisch, aber über weite Strecken vorhersehbar. Bereits im ersten Drittel hatte ich eine recht genaue Ahnung, wohin sich die Ermittlungen entwickeln würden. Die Spannung war daher nicht sooo da. Und dennoch: Es gibt diese starken Momente, in denen Adler-Olsen & Co. zeigen, dass sie weiterhin genau wissen, was menschliche Verletzungen anrichten können, was an dem Zitat klar wird:
"Hast du eine Vorstellung davon, was es mit einem Kind macht, wenn es erkennt, dass das Paradies, das es betreten hatte, in Wahrheit eine Schlangengrube ist? Hast du eine Vorstellung davon, wie es ist, zehn Jahre alt zu sein und das Einzige zu verlieren, was einem etwas bede-tet? Zu erleben, wie alle um einen herum, Erwachsene wie Kinder, sich gegen einen verschwören?" (S. 504)
Parallelstränge deuten außerdem auf kommende Bände hin, für mich waren es zwei (?) offene Fäden (könnte aber auch einer werden), während der Hauptfall wie immer in dem Band selbst aufgeklärt wurde.
Fazit
"Tote Seelen singen nicht" ist für mich ein solider Übergangsband, der Figuren neu verortet und erzählerisch die Weichen stellt. Kein Pageturner, kein Spitzentitel der Reihe, aber ein Buch für alle Q-Universum- Liebhaber:innen. Daher auch empfehlenswert für alle, die dem Team seit Jahren folgen und bereit sind für die "zweite Staffel", aus meiner Sicht weniger geeignet für Neueinsteiger:innen oder Leser:innen, die hohe Spannung erwarten.