Please Unfollow ist einer dieser seltenen Young-Adult-Romane, die ihre Leser*innen nicht nur emotional mitnehmen, sondern zugleich gesellschaftlich herausfordern. Die Autorin verknüpft auf beeindruckende Weise die Folgen von medialer Überpräsenz mit der Frage nach Identität, Grenzen und dem Recht auf ein eigenes Leben. Dabei entsteht eine Geschichte, die unbequem ehrlich, aber zugleich unglaublich einfühlsam erzählt ist.
Im Zentrum steht Sherry, deren gesamte Kindheit von öffentlicher Aufmerksamkeit geprägt wurde ohne dass sie jemals eine Wahl hatte. Der Roman zeigt mit bemerkenswerter Klarheit, was es bedeutet, aufzuwachsen in einer Welt, in der Likes wichtiger sind als Privatsphäre und in der Kinder durch Kameralinsen geformt werden, bevor sie überhaupt wissen, wer sie sein wollen. Gerade die Darstellung der elterlichen Verantwortung oder des Fehlens davon wirkt erschütternd real. Ohne zu bewerten oder plakativ zu überzeichnen eröffnet das Buch Räume für Fragen, die weit über die fiktionale Ebene hinausgehen.
Besonders eindrucksvoll ist die Art, wie die Autorin emotionale Tiefe schafft, ohne je voyeuristisch zu werden. Sherrys Entwicklung steht im Mittelpunkt: ihre Unsicherheit, ihre Angst vor Nähe, ihr Bedürfnis nach echter Verbundenheit und ihr zögerlicher Versuch, eine Identität jenseits von Social Media aufzubauen. Der Roman zeigt nicht nur, wie schmerzhaft diese Reise ist, sondern auch, wie viel Kraft darin liegt, wenn ein Mensch versucht, die Muster seiner Vergangenheit zu durchbrechen.
Die Nebenfiguren im Jugendprogramm bereichern die Handlung mit einer Vielfalt an Perspektiven. Jede Begegnung, jede kleine Annäherung wirkt glaubwürdig und trägt zu Sherrys innerem Wachstum bei. Der Roman erinnert daran, dass Heilung selten geradlinig verläuft und dass Vertrauen Zeit braucht besonders, wenn man es nie gelernt hat.
Sprachlich bewegt sich das Buch auf einem modernen, reflektierten Niveau. Die Kombination aus Rückblenden, Kommentarspalten und Gegenwartskapiteln ist nicht nur ein erzählerischer Kniff, sondern verstärkt die Wirkung der Thematik enorm. Manche Passagen tun weh, weil sie so echt wirken. Andere sind leise und tröstend. Diese Balance macht das Buch enorm stark.
Please Unfollow ist kein leichter Roman, auch wenn er sich mühelos liest. Er wirft Fragen auf, die unbequem sein können:
Wie viel zeigen wir online? Wo liegen die Grenzen? Und was macht all das mit jenen, die sich nicht schützen können?
Die Autorin liefert keine einfachen Antworten aber sie sensibilisiert, und das auf eine Weise, die noch lange nachwirkt.
Am Ende bleibt eine Geschichte, die nicht nur über die Ausbeutung eines Kindes spricht, sondern über Mut, Selbstfindung und die Hoffnung auf ein Leben, das einem wirklich gehört.
Ein Buch, das man nicht einfach beendet, sondern mitnimmt.
Ein wichtiges, eindringliches und aufrichtiges Werk absolut lesenswert.