»Wenn wir heute hier stehen, können wir Boote hören, Autos, Menschen, die sich in der Nähe unterhalten. Doch als ich an jenem Tag hier stand, war da gar nichts. Es gab keine Geräusche. Es fühlte sich an, als würde die Stadt nicht mehr atmen.« (Buchzitat E-Book, S. 296)
Abroad in Japan ist die packende Reise-Biografie von Chris Broad, einem britischen YouTuber, der über seine Erlebnisse in Japan berichtet und dabei sowohl die kulturellen Eigenheiten als auch die persönlichen Herausforderungen seines Lebens im Land der aufgehenden Sonne beleuchtet.
Worum gehts genau?
Abroad in Japan erzählt die Geschichte von Chris Broad, der ohne Plan als Lehrer über ein Austauschprogramm nach Japan auswandert ohne zu wissen, wie lange er schlussendlich dort sein wird. Wir erleben den Start seiner YouTube-Karriere und welchen alltäglichen Herausforderungen er sich stellen muss. Es geht um seine Erfahrungen als Ausländer, den Aufbau einer Karriere, die intensive Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur und die persönlichen Kämpfe, die dabei entstehen. Doch das Buch behandelt auch die "dunkleren" Seiten Japans, etwa die Nachwirkungen der Fukushima-Katastrophe und die Auswirkungen auf die Menschen, die durch die Umstände dort stark traumatisiert wurden.
Meine Meinung
Chris Broads Abroad in Japan ist eine interessante Mischung aus persönlichen Erlebnissen, humorvollen Anmerkungen und tiefgründigen Betrachtungen zur japanischen Gesellschaft. Besonders bemerkenswert sind die Momente, in denen er über seine persönlichen Krisen reflektiert, wie etwa die Enttäuschungen über gescheiterte YouTube-Projekte oder die Herausforderung, sich als Ausländer in einer fremden Kultur zurechtzufinden.
Eine der bewegendsten Stellen im Buch ist die Auseinandersetzung mit den traumatischen Auswirkungen der Fukushima-Katastrophe. Hier beschreibt Broad, wie er die Auswirkungen auf die Menschen vor Ort wahrnimmt und wie er sich selbst von der Geschichte beeinflussen lässt. Besonders berührend sind die Zitate von Menschen, die durch die Katastrophe ihre Heimat verloren haben. Ein Beispiel hierfür ist das Zitat von Masami Yoshizawa, einem Bauern aus Fukushima: Heirate nie eine Frau aus Fukushima. Viele Leute mussten sich solche Sätze anhören (S. 280). Diese Aussage zeigt auf erschreckende Weise, wie stark das Stigma ist, das Menschen aus dieser Region begleiten muss. Aber auch die Geschichte der Hope Farm, betrieben von einem Bauer, der sich weigert, seine verseuchten Rinder zu schlachten, ist tief berührend und zeigt die menschliche Entschlossenheit, trotz allem weiterzumachen.
Chris Broad gelingt es, diese ernsten Themen mit einer Prise Humor und einem kritischen Blick auf sich selbst zu kombinieren. Seine Reflexionen über die eigene Fehlbarkeit, etwa das Thema der Enttäuschungen über nicht gehaltene YouTube-Versprechen, wirken authentisch und zeigen die menschliche Seite eines erfolgreichen YouTubers. Als Leser:in kann sich gut mit seiner persönlichen Reise identifizieren, sei es in Bezug auf das Streben nach Erfolg oder das Aufeinandertreffen mit den eigenen Fehlern und Schwächen.
Es ist aber nicht nur das persönliche Wachstum von Chris Broad, das das Buch interessant macht, sondern auch die Auseinandersetzung mit dem Wandel Japans. Die gentrifizierten Viertel von Shibuya und Shinjuku und die Veränderungen in der japanischen Gesellschaft etwa das Rauchen in Restaurants spiegeln die sozialen und kulturellen Umwälzungen wider, die Japan in den letzten Jahrzehnten erlebt hat. Der Autor lässt uns an seinen Beobachtungen teilhaben, und auch hier spürt man die Unterscheidung zwischen der Zeit, in der er ankam, und der Gegenwart.
Fazit
Abroad in Japan ist ein gelungenes Buch, das sowohl unterhaltsam als auch tiefgründig ist. Chris Broad zeigt auf, dass das Leben als Ausländer in Japan voller Herausforderungen und Überraschungen steckt, und gelingt es dabei, ernste Themen mit einem humorvollen Ton zu verbinden. Das Buch ist eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die sich für Japan und das Leben als Expat interessieren. Dennoch gibt es stellenweise ein paar zu viele Wiederholungen (50 Seiten weniger hätten dem Buch gut getan), das Gefühl für die Zeit geht verloren (ist ein Tag, eine Woche, oder doch schon ein Monat vergangen) und nicht immer wird die Tiefe der behandelten Themen voll ausgeschöpft bzw. auch alle mir wichtigen Themen angesprochen (Geschichte Japans, frauenspezifische Themen), weshalb ich 3,5 Sterne vergebe.
»Wenn mich zehn Jahre in diesem Land etwas gelehrt haben, dann, dass es immer noch eine wildere Entdeckung zu machen gibt, gleich um die Ecke, im Land der aufgehenden Sonne.« (Buchzitat E-Book, S. 307)