Chopin in Kentucky

Es kommt nicht selten vor, dass Mädchen davon träumen, Primaballerina zu werden. Aber nur wenige klemmen sich wohl so dahinter wie Marie Higginbottom, Heldin dieses Romans. Dabei stehen die Chancen denkbar schlecht. Sie lebt in einer trostlosen Kleinstadt in Kentucky, ihre Familie ist arm und ihr Vater ein streng katholischer Choleriker. Allein der Pianist Chopin, ihr imaginärer Freund und mentaler Lebensbegleiter, der ihren Alltag kommentiert, bietet ihr Halt. Dank ihrem Mut, Ideenreichtum und ihrer ungebremsten Leidenschaft gelingt es ihr, Ballettunterricht zu nehmen.Marie ist eine Figur, die die typischen Sehnsüchte und widersprüchlichen Gefühle eines Teenagers verkörpert und doch ein Außenseiterdasein fristet. Wie sehr sie für ihren Traum und um die Freundschaft zu ihrer Mitschülerin Misty, ein Kinder-Elvis-Double, kämpft, in der Kleinstadt nach Vorbildern sucht und ihre Probleme mit Chopin ausmacht, erzählt die Autorin tragikomisch und berührend.

Das Leben ist kein Ballett Chopin in Kentucky ist eine sehr bewegende Comming-of-Age Geschichte, die in mir ein Wechselbad der Gefühle ausgelöst hat. Die zehnjährige Marie hat einen großen Traum: Sie möchte eine Ballerina sein. Doch die Voraussetzungen dafür sind alles andere als gut. Sie wächst mit vielen Geschwistern in einer armen Familie auf, die schwer unter ihrem streng katholischen Vater zu leiden hat. - Themen wie Gewalt, Depressionen und Vernachlässigung spielen eine große Rolle in dem Buch. Teilweise waren die dargestellten Szenen für mich nur schwer zu ertragen und führten sogar zu Flashbacks. Maries Überlebensstrategie kam mir sehr vertraut vor: Mit ihrer kindlichen Fantasie und Leichtigkeit erschafft sie sich einen Freund, der ihr hilft, das Erlebte zu ertragen. So wird der Geist des Komponisten Chopin zu ihrem inneren Helfer und Begleiter. Es entsteht eine humorvolle und sarkastische Stimmung, die zwar von Bitterkeit geprägt ist, aber auch einen Funken Hoffnung versprüht. Durch Chopin kann Marie ihre unterdrückten Gefühle zum Ausdruck bringen, denn der Komponist hat stets eine zynische Bemerkung parat und spendet dem jungen Mädchen so indirekt etwas Trost. Marie wirkt in ihrem Denken sehr erwachsen für ihr Alter, was aufgrund der Umstände jedoch verständlich ist. Ich habe mich oft in Marie wiedergefunden und konnte ihre Gedanken und Emotionen absolut nachvollziehen. Chopin in Kentucky ist definitiv keine leichte Kost, doch Elizabeth Heichelbech schafft es einen recht abstrakten Bewältigungsmechanismus von Kindern, die traumatischen Situationen ausgesetzt sind, greifbar zu machen. Ich bin begeistert von dem Buch und dem Schreibstil der Autorin.