In Frühling geht es viel um Verbindungen, gewollte und ungewollte, geplante und zufällige. Und es geht auch um Immigration, um Flucht und Flüchtlinge und generell darum, wie wir Menschen miteinander umgehen.Zunächst steht man mit Richard an einem Bahngleis. Er ist ein in den heutigen Zeiten unbekannter Regisseur, dessen Erfolge schon lange vorbei sind. Er trauert um seine verstorbene Freundin, sucht einen Platz um sich würdig von ihr verabschieden zu können und denkt gleichzeitig über das Ende des Lebens nach, auch über das seines eigenen. Dann kommt ein Cut, man begegnet plötzlich Brit, Angestellte eines Flüchtlingszentrums, das mehr einem Gefängnis gleicht. Sie hadert mit sich, mit ihrem Job und den Bedingungen unter der die Menschen dort leben sollen.Was ist die Verbindung zwischen diesen beiden Menschen, due sich nicht kennen und die nichts gemeinsam haben? Es ist ein kleines Mädchen Florence, sie ist für viele unsichtbar und erreicht doch mehr als viele Erwachsene.Frühling ist für mich das bisher beste Buch in Ali Smiths Jahreszeitenzyklus. Es hat die Sprachmelodie und Eindringlichkeit, die ich in Winter vermisst habe und ist noch mehr am aktuellen Geschehen als Herbst (wobei das eher an der zeitlichen Distanz der deutschen Übersetzung lag). Nach wie vor geht es viel um Brexit und die Zustände in England. Aber es geht auch um Geschichte, Geschichte eines Landes, Geschichte der Menschen, es geht um Migration und Immigration, um Leben und Leben lassen. Und es geht auch um den steigenden Druck der durch Medien und v.a. die ständige Präsenz sozialer Medien und um die gefährliche Anonymität, die diese bieten können. Smith bringt hier viele Themen auf den Tisch, doch sie findet für jedes einen Platz ohne überladen zu wirken.Die ersten paar Seiten mit Richard waren etwas holprig für mich, die Geschichte wollte mich nicht so richtig packen, doch das hat sich bald geändert und am Ende habe ich es kaum noch aus der Hand gelegt. Ich kann Frühling wirklich jedem empfehlen, auch denen, die die Vorgänger vielleicht nicht so überzeugend fanden.