Dieses Buch von Anne Berest ist ein wahrer Schatz. Es stand etwas länger in meinem Regal, bevor ich es jetzt in die Hand genommen habe. Ich kannte die Autorin von dem Paris-Buch "How to be parisian whereever you are". Einen so bewegenden Roman hätte ich nicht erwartet. Die Geschichte von Myriam, Noemie, Jacques, Emma und Ephraim berührt mich sehr. Ich habe schon viele Bücher über das Dritte Reich und die Judenverfolgung gelesen. Dieses aber wird mich sicherlich noch länger beschäftigen. Vor allem weil der alltägliche Antisemitismus im heutigen Frankreich auch immer wieder angesprochen wird. Es sind die kleinen Dinge, die gestern wie heute Menschen ausgrenzen und zu Fremden machen. Der Schreibstil ist sehr elegant, fast sachlich dennoch bildhaft und emotional. Anne Berest gelingt es, die Figuren so zu zeichnen, dass sie facettenreich sind, sympathisch, manchmal auch ambivalent. Dabei folgt der Leser der Familie von Russland über Riga nach Palästina und letztlich nach Frankreich, in die Hauptstadt Paris. Nirgendwo kommen sie so richtig an. Sie sehen das drohende Unheil nicht oder können es schier nicht begreifen. Sie bleiben fremd, werden ausgegrenzt, schließlich verfolgt und ermordet. Myriam ist die einzige Überlebende und muss mit dieser Last erst einmal fertig werden und den Verlust ihrer Familie verkraften. Besonders berührt hat mich dabei die Schilderung der Rückkehr der Deportierten im Hotel Lutetia nach Kriegsende. Die Verzweiflung auf beiden Seiten. Die Zurückgekehrten, denen alle Worte fehlen und diejenigen, die auf ihre Familie, auf ihre Lieben warten. Der Drang, etwas zu erfahren und die Angst vor der Gewissheit, all diese Emotionen bringt die Autorin eindringlich in ihrer Geschichte zur Geltung. Und es ist tatsächlich ihre eigene Familiengeschichte, der der Leser hier folgt. Sie nimmt uns mit auf die Spurensuche nach dem Verfasser einer geheimnisvollen Postkarte, fast wie in einem Krimi. Manche Stellen sind schwer auszuhalten. Andere lesen sich leicht und sind voller Esprit. Eine absolute Leseempfehlung für ein Buch, das sich mit der Geschichte und der Vergangenheit beschäftigt, aber sehr aktuell und zeitgemäß ist.