Emma Rouault, eine junge Frau voller romantischer Vorstellungen und Sehnsüchte, heiratet den gutmütigen Landarzt Charles Bovary in der Hoffnung auf ein erfülltes, liebevolles Leben. Doch bald schon erdrücken sie der graue Alltag, die Monotonie des Landlebens und die emotionale Distanz, die sie in ihrer Ehe empfindet. Ihre hochgesteckten Erwartungen an das Leben, geprägt von schwärmerischen Romanen, prallen auf eine Realität, die sie als langweilig, stumpf und erdrückend empfindet. Auf der Suche nach Leidenschaft und Sinn stürzt sie sich in Affären und gerät immer weiter aus der Bahn.
Emma Bovary ist eine komplexe, tragische Figur, die in ihren Widersprüchen erschütternd realistisch gezeichnet ist. Sie ist eine zutiefst depressive Frau, die sich nach Schönheit, Liebe und Erfüllung sehnt, aber immer wieder an der Realität zerbricht. Ihre Fluchten in romantische Träumereien, ihre Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Tochter und die wachsende Ablehnung gegenüber ihrem Ehemann wirken oft kalt und sind doch Ausdruck einer tiefen inneren Verlorenheit. Flaubert gelingt es meisterhaft, Emmas Sehnsüchte, ihre Gedankenspiralen und ihre zunehmende Verzweiflung spürbar zu machen.
Dem gegenüber steht Charles Bovary, der vermeintlich langweilige, einfältige Ehemann . Und doch offenbart sich im Verlauf des Romans, wie viel Herz und Güte in ihm steckt. Er liebt Emma aufrichtig, vielleicht zu sehr. Seine Naivität, seine Weltfremdheit und seine ständige Nachsicht machen ihn zu einer tragischen Figur, deren grenzenlose Liebe das Geschehen noch schmerzhafter erscheinen lässt. Er ist der stille Leidende, dessen Schicksal mindestens ebenso berührt wie das von Emma.
Was Flaubert hier geschaffen hat, ist nicht nur eine Gesellschaftskritik oder ein Ehedrama, sondern ein zeitloses Psychogramm über gescheiterte Träume, Rollenbilder und das Ringen um Sinn. Dass eine Frau in einem Roman des 19. Jahrhunderts so bewusst aus gesellschaftlichen Normen ausbricht und Ehebruch begeht, wirkt sehr modern und ist in seiner Tragik erschütternd aktuell.
Trotz des Alters von über 150 Jahren wirkt Madame Bovary erstaunlich frisch. Die sprachliche Dichte, die lebendigen Beschreibungen von Landschaften, Orten und Stimmungen, aber auch die feine Beobachtungsgabe, mit der Flaubert das Innenleben seiner Figuren zeichnet, haben mich sehr beeindruckt. Besonders die Ambivalenz von Emma, zwischen ihrer Sehnsucht und Selbstzerstörung, ist so feinfühlig und detailliert dargestellt, so dass ich absolut gespannt war, wie die Geschichte enden wird.
Fazit:
Madame Bovary ist ein literarischer Klassiker, das seiner Zeit weit voraus war. Eine intensive, sprachlich großartige Auseinandersetzung mit (verlorenen) Idealen, gesellschaftlichem Druck und der Suche nach einem Leben jenseits des Mittelmaßes. Ein Buch, das auch heute noch bewegt und zum Nachdenken anregt.