Richard Kreutzner wächst als einziger Sohn eines reichen Minenbesitzers ein wenig weltfremd heran. Sein größter Wunsch ist es, Bibliotheka zu werden, doch sein Vater hat andere Pläne: Richard soll die Geschäfte nach seinem Tod übernehmen und weiterführen. Also beschließt der junge Mann auf eigene Faust, nach London zu gehen und sich dort als Bibliothekar zu verdingen.
Doch das Schicksal hat anderes mit Richard im Sinn ...
Seit "Pirates of the Caribean" sind Piraten und Freibeuter hoch im Kurs. Und wer mag sie nicht? Die romantisierten Abenteuergeschichten über die Gesetzlosen Piraten und wie sie auf hoher See andere Schiffe kapern und ausplündern. Wer hat nicht schon einmal von Blackbeard oder Captain Kidd gehört? Vermutlich die wenigsten.
In diesem Buch geht es um letzteren, um Captain Kidd, den Freibeuter. Für solche, die den Unterschied zwischen Freibeutern und Piraten nicht kennen, hier die kurze Erklärung: ein Freibeuter ist quasi ein legaler Pirat. Er besitzt einen sogenannten Kaperbrief, meist ausgestellt von Hohen Adelsfamilien oder gar dem König/der Königin selbst. Freibeuter besaßen die Auflage, Schiffe des eigenen Landes weder anzugreifen noch zu plündern. Oftmals gab es sogar weitere Befehle, dass sie beispielsweise besonders auf Schiffe eines verfeindeten Landes losgehen sollten. Dabei reichte es, wenn in deren Schiffsunterlagen die Pässe dieses verfeindeten Landes vorlagen, selbst wenn das Schiff selbst unter der Flagge eines anderen Landes fuhr. Ein Pirat dagegen kann sich frei bewegen, er hat keine Einschränkungen oder Vorgaben, allerdings auch keinen Freibrief. Seine Taten sind damit illegal.
So, das war die kleine Lektion für diejenigen, die den Unterschied bisher nicht kannten. Kidd hatte als Freibeuter begonnen, sprich, er hatte einen Kaperbrief vom englischen König und handelte dementsprechend in dessen Auftrag. Was er tat, war nicht illegal - bis er einmal das falsche Schiff angriff, laut Überlieferung, ohne es zu wissen. Danach wurde er als Pirat verschrien und gejagt.
Richard trifft auf Kidd nach diesem Vorkommnis und beschreibt mit eigenen Worten, wie die Geschichte weiterging. Und anfangs scheint es auch soweit gut zu gehen. Richard wird vom einfachen Seemann schnell zum ersten Kanonier befördert, die Beute ist gut, und dank seiner Ausbildung, die auch das Lernen verschiedener Sprachen beinhaltete (Latein, Englisch und Französisch in Schrift), ist er hilfreich für Kidd und dessen Mannschaft. Bis sie ein Schiff kapern und Richard dort jemanden kennen lernt, der sehr wichtig für seine Zukunft sein wird.
Lotter beschreibt sehr detailgetreu und mit viel Hintergrundwissen die Zeit, die Ereignisse und die Schiffe und Ortschaften, an die es seinen Protagonisten verschlägt. Offensichtlich gibt es eine reichhaltige Recherche hinter dem Roman, für die ich den Autoren hier sehr gern lobe. Es sollte gerade bei historischen Romanen eine Pflicht sein, sich genauer mit der Zeit und den Einzelheiten zu befassen, so wie in diesem Beispiel die verschiedenen Pistolenarten und die Tatsache, dass Schwarzpulver nicht zwangsläufig mit Wasser (im wahrsten Sinne) in Berührung kommen muss, um nutzlos zu werden. Feuchte Luft oder feuchter Nebel reichen dafür.
Die Zustände auf den verschiedenen Schiffen, die Richard während seiner Irrfahrt bereist, sind nachvollziehbar und sicher. Ebenso die verschiedenen Orte. Herausheben möchte ich hier die kurze Zeit, in der der Vater Richard zwingt, als Minenarbeiter in seiner Mine zu arbeiten. Man meint, in den klaustrophobischen Engen der handgegrabenen Minenschächte zu sein, so kurz dieser Aufenthalt auch geschildert ist. Auch die kurze Zeit als Gefangener seines Vaters wird gut und nachvollziehbar dargestellt, auch wenn es sehr drastisch ist.
Richard, der Skrupel hat, und die auch wirklich bis zum Ende des Romans, auch wenn er das selbst oft zu negieren versucht, einen anderen zu töten und statt dessen selbst verletzt wird. Bis zu dem Punkt, an dem er im wahrsten Sinne des Wortes rot sieht, aber tatsächlich mehr verwundet als tötet. Selbst als "echter" Pirat besitzt Richard ein Gewissen, erzählt von den horrenden Ereignissen während und nach der Schlacht um das Schiff und den Ekel und die Angst, die er dabei empfindet. Alles sehr glaubhaft geschildert.
Ein sehr guter Roman über eine turbolente Zeit. Ein kleiner Roman, der sich aber mit den Großen messen kann.