Die angemessene Behandlung der Notwehrprovokation ist eine hoch umstrittene Frage sowohl in der Ethik als auch in der Strafrechtsphilosophie. Leandro Dias versucht, dieses Problem auf der Grundlage der jüngsten Entwicklungen in der nicht-konsequentialistischen Moralphilosophie zu lösen.
Die Notwehrprovokation gehört zu den Kernproblemen des Allgemeinen Teils des Strafrechts. In ihrer Folge soll das Notwehrrecht des Opfers eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs aufgrund eines eigenen provokativen Beitrags eingeschränkt oder ihm gänzlich versagt werden. Doch ist dieses Feld der Straftatlehre noch immer unzureichend durchdrungen. Leandro Dias nähert sich der Frage nach der angemessenen Behandlung der Notwehrprovokation nicht nur aus rechtsdogmatischer, sondern auch aus moralphilosophischer Sicht.
Die Drucklegung des Werkes wurde gefördert von der Johanna und Fritz Buch-Gedächtnisstiftung.
Inhaltsverzeichnis
1. Problemaufriss und methodische Annahmen
A. Notwehrprovokation und Allgemeiner Teil des Strafrechts im 21. Jahrhundert - B. Die drei Lösungsmodelle zum Problem der richtigen Behandlung der Notwehrprovokation - C. Eine unerforschte rechtsvergleichende Perspektive: die angelsächsische moralphilosophische Debatte über Notwehrprovokation - D. Eine Untersuchung de lege ferenda (und de lege lata?) auf der Grundlage einer " rechtsvergleichenden" Analyse - E. Exklusiver Rechtspositivismus und Strafrechtsdogmatik - F. Zusätzliche methodische Erläuterungen - G. Hypothese und Struktur der Untersuchung
2. Lösungsmodell 1: Irrelevanz des provokativen Vorverhaltens
A. Grundlegende Intuitionen - B. Einwände auf Grundlage des Gesetzlichkeitsprinzips - C. Die üblichen Argumente gegen eine Notwehreinschränkung kraft Provokation - D. Objektive Zurechnung und Notwehrprovokation - E. Fazit
3. Lösungsmodell 2: Bestrafung des Vorverhaltens (" actio illicita in causa")
A. Actio illicita in causa und Notwehrprovokation - B. Die Welle der nicht überzeugenden Kritik - C. Überzeugende Kritikpunkte - D. Zwischenfazit
4. Lösungsmodell 3: Provokation als Notwehreinschränkung
A. " Argument by elimination" - B. Ausschluss oder Einschränkung des Notwehrrechts? - C. Uneinigkeit bei den Grundlagen (I): nicht überzeugende Begründungen - D. Uneinigkeit bei den Grundlagen (II): teilweise überzeugende, aber ergänzungsbedürftige Argumente - E. Zwischenbilanz
5. Notwehrbefugnis: zwischen Durchsetzung subjektiver Rechte und Verteilungsgerechtigkeit
A. Schneidiges Notwehrrecht als Ausgangsbasis - B. Ablehnung der dualistischen Grundlage des schneidigen Notwehrrechts - C. Notwehr als Durchsetzung subjektiver Rechte - D. " Moral standing" , saubere Hände und Selbstachtung - E. Verteilungsgerechtigkeit von Ex-ante-Schäden als alternative Begründung - F. Vorläufige Schlussfolgerung
6. Dogmatische Ausgestaltung des hiesigen Legitimationsmodells und Schlussbetrachtungen
A. Volle Verantwortung vs. Mitverantwortung - B. Mitverantwortung der Parteien - C. Volle Verantwortung des provozierten Angreifers - D. Volle Verantwortung des Provokateurs - E. Abschließende Erwägungen de lege lata und de lege ferenda