Wir befinden uns im Jahr 2015 in Köln. Der beliebte Nachrichtenmoderator Tom Monderath, herrlich selbstverliebt von der Autorinwir dargestellt, wird von seinen persönlichen Höhenflügen von seiner hochtbetagten Mutter Greta in die Realität wieder geholt, denn er stellt mit Erschrecken fest, dass Greta immer mehr in die Demenz abdriftet und dadurch mehr auf seine Hilfe angewiesen ist, die sie jedoch vehement ablehnt. Eine Entwicklung, die wohl viele Menschen mit ihren dementen Eltern oder Partnern machen.
Das erstaunliche an dieser Entwicklung ist, dass Greta anfängt aus ihrem Leben zu erzählen und Tom, dessen Verhältnis zu seiner Mutter bis dahin als kompliziert bezeichnet werden könnte, erfährt von ihrer Kindheit und Jugend in Ostpreußen und von der schrecklichen Flucht im eisigen Winter zu Verwandten in Heidelberg, das von den Amerikanern besetzt war. Greta wächst zu einer schönen jungen Frau heran und macht die Bekanntschaft mit Bob, einem amerikanischen GI wie viele junge Frauen damals, doch bei Bob gibt es einen Unterschied....
Tom, der nah an der aktuellen Berichterstattung der nicht enden wollenden Flüchtlingsströme aus Syrien dran ist und mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Flüchtlingsheim besucht, bekommt ein anderes Bild von Flucht, denn das Trauma seiner eigenen Familie erwacht zunehmend und Greta, die jeden Abend vor dem Fernseher sitzt um ihren Sohn zu sehen, kann die mit Mühe weggeräumten Erinnerungen nicht mehr länger im Verborgenen halten. Als jedoch ein Foto auftaucht mit Greta und einem kleinen Mädchen mit dunkler Hautfarbe verstummt Greta und ab diesem Zeitpunkt ist für Tom nichts mehr wie es mal war....
Susanne Abel nimmt uns auf eine unnachahmliche Weise mit in die Welt des Vergessens und in die Dinge, die sich einfach nicht vergessen lassen. Sie zeigt uns einen Teil deutscher Geschichte, der wie so viele mehr als beschämend ist und wir lesen wie Tom in der Gegenwart forscht und handelt, erleben mit wie sich sein egozentrischer Charakter beginnt zu wandeln, herrlich erzählt und wir lesen mit Greta, wie sie eine geliebte Welt für immer verlassen muss, eine Welt, die nie mehr wiedergekommen ist. Wir lesen, wie einfach es damals war, die Jugend zu beeinflussen und das hat sich bis heute nicht geändert. Diese Geschichte von 2015 zu lesen und die Worte "Wir schaffen das" wieder im Ohr zu haben, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack bei mir. Susanne Abel ist es sehr gut gelungen, die Geschichte der "Brown Babies" aufzugreifen und die unrühmliche Rolle der jungen Bundesregierung dazu. Doch auch bei den Amerikanern war es nicht viel besser, konnten sich doch GIs mit dunkler Hautfarbe in Deutschland ohne große Repressalien mit weißen deutschen Frauen treffen, vorausgesetzt sie kamen ihren weißen Kollegen nicht in die Quere, jedoch in ihrer Heimat hatten sie dabei das Schlimmste zu befürchten. Mir hat diese Geschichte sehr gut gefallen, sehr gut recherchiert, auf einige vulgäre Ausdrücke hätte verzichtet werden können, jedoch haben sie zur Person des Tom gepasst. Auch Greta ist auf sehr feine Art beschrieben und auch ihr seelisches Leid aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse. Eine Geschichte, die unseren aktuellen Politikern gut stehen würde zu lesen, vielleicht würden dann einige Entscheidungen anders ausfallen.