Nicht der erste erschienene Band, aber der erste, den ich las. Der neue Krimi um den von einer Angststörung geplagten Kommissar Sörensen. Die ersten Bände wurden sehr erfolgreich und absolut gelungen verfilmt, mit dem genialen Bjarne Mädel in der Hauptrolle.
Diesen Schauspieler hat man, sofern man die Filme kennt, nun stets vor Augen, seine Stimme stets im Ohr bei der Lektüre des Romans. Und das passt so perfekt, ist so stimmig, dass allein das schon die halbe Garantie für die Qualität dieser Lektüre ausmacht.
Allerdings dauert es eine ganze Weile, bis die Handlung Fahrt aufnimmt, bis der eigentliche Kriminalfall nach und nach mehr in den Vordergrund tritt. Dabei laufen über lange Zeit zwei unabhängige Handlungsstränge nebeneinanderher.
Der eine folgt Sörensen, der immer nur so genannt wird, weil er seinen Vornamen hasst, in den Urlaub. Darauf hat er eigentlich so überhaupt keine Lust, daher kommt ihm die Bitte seiner Ex-Frau Nele gerade recht. Sie möchte, dass er in Hamburg bei ihr und der gemeinsamen Tochter Lotta einen Stopp auf seiner Reise nach Österreich einlegt, da sie bei etwas seine Hilfe braucht. Es stellt sich heraus, dass eine Freundin von Nele in Gefahr zu sein scheint. Aileen, die nur Achim genannt wird, fühlt sich verfolgt von einem Mann mit Hoodie und Schlauchschal. Sörensen, eher widerwillig, macht sich auf die Suche nach diesem Mann. Doch dann eskaliert die Situation gewaltig.
Die zweite Handlung folgt Sörensens Kollegin Jennifer im Revier in Katenbüll, die es mit einem Mord zu tun bekommt. Ein junger Mann wurde tot aufgefunden, nur scheint es zuerst keinerlei Motiv zu geben. Das größere Problem für Jennifer aber ist der Vertretungskollege Mommsen, der für Sörensen einspringen soll. Ein absoluter Kotzbrocken, was aber so herrlich komisch geschildert wird, dass es einfach Spaß macht, seinen Eigenlobhudeleien zu folgen.
Herrlich komisch auch die Szenen, in denen Sörensen und Jennifer sich jeweils Idylle vorspielen. Er, der so tut, als sei er in Österreich längst angekommen, sie, die ihm nichts vom aktuellen Fall erzählt.
Natürlich, das ist zu erwarten, laufen die beiden Handlungsstränge irgendwann zusammen, haben die beiden Fälle miteinander zu tun. Sobald das geschieht, bekommt der Roman erheblich an Tempo, wird der Krimi mehr zum Hauptteil des Romans.
Vorher ist es eher das Psychogramm vieler kaputter Seelen. Alle, Sörensen, Aileen, Jennifer und auch ihre Kollegen in Katenbüll, haben ihre Wunden, ihren Narben, ihre Störungen. So nimmt sich der Autor sehr viel Zeit, diese zu schildern. Er zeigt, wie die Angststörung immer wieder in Sörensen rumort, wie er sie bekämpft. Wie er mit dem Urlaub hadert, sich mühsam wachhält, weil er doch eigentlich jeden Tag weiterfahren möchte. Wie er an seiner Tochter hängt, wie stark seine Gefühle für Nele immer noch sind.
Etwas gestört haben den Handlungsfluss die immer mal wieder vorkommenden Einschübe, in welchen Nebenfiguren ihre Gedanken kundtun. Mal die Mutter des in Katenbüll ermordeten Mannes, mal ein Kioskbesitzer, der Sörensen von früher kennt, mal einfach ein Mann auf der Straße. Das ist einerseits schon ein bisschen witzig, andererseits holt es einen aus der Spannung heraus und bringt nichts oder wenig für den Handlungsverlauf.
Aber insgesamt ist das ein absolut gelungener Roman, halb Krimi, halb die Geschichte armer, getriebener Seelen. Dank des in fast jedem Satz durchschimmernden, gut platzierten Humors, der leisen Ironie und der wunderbar und sehr geschickt formulierten Spitzfindigkeiten, ist dieses Buch ein wirkliches Highlight. Besonders die Schilderungen von Jennifers Qualen, wenn sie die Tiraden von Mommsen, seine Frauenfeindlichkeit, seine Überheblichkeit und seine Selbstverliebtheit ertragen muss, sind herrlich komisch (auch wenn sie mich als Frau genauso wütend machten wie Jennifer).
Ein unbedingt zu empfehlender Roman, auf dessen hoffentlich folgende Verfilmung ich mich jetzt schon freue.
Sven Stricker - Sörensen macht Urlaub
rororo, September 2024
Taschenbuch, 573 Seiten, 14,00 €