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Die Holländerinnen

Roman

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230 Lesepunkte
Buch (gebunden)
23,00 €inkl. Mwst.
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Dorothee Elmigers neuer, bildgewaltiger Roman - eine mitreißende Erfahrung. Wer diesen Text betritt, fällt in den Abgrund unserer Welt und blickt mit aufgerissenen Augen in die Finsternis. Auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2025, nominiert für den Schweizer Buchpreis und den Bayerischen Buchpreis 2025. Mit blinkenden Warnlichtern fährt die Erzählerin, eine namenlose Schriftstellerin, an den Straßenrand, als ein unerwarteter Anruf sie erreicht. Am Apparat ist ein gefeierter Theatermacher, der sie für sein neuestes Vorhaben zu gewinnen versucht - ein in den Tropen angesiedeltes Stück, die Rekonstruktion eines Falls. Wenige Wochen später bricht sie auf, um sich der Theatergruppe auf ihrem Gang ins tiefe Innere des Urwalds anzuschließen. Dorothee Elmiger erzählt eine beunruhigende Geschichte von Menschen und Monstren, von Furcht und Gewalt, von der Verlorenheit im Universum und vom Versagen der Erzählungen.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
19. August 2025
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
160
Autor/Autorin
Dorothee Elmiger
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
270 g
Größe (L/B/H)
206/126/21 mm
ISBN
9783446282988

Portrait

Dorothee Elmiger

Dorothee Elmiger, geboren 1985 in der Schweiz, lebt als freie Autorin und Übersetzerin in New York. Ihre Bücher »Einladung an die Waghalsigen« (2010), »Schlafgänger« (2014) und »Aus der Zuckerfabrik« (2020) wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, für die Bühne adaptiert und vielfach ausgezeichnet.

Pressestimmen

»Der beste Roman dieses Bücherherbstes. « Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. 07. 25

»Ein hypnotischer, dichter Roman, der seine Geheimnisse erst nach und nach preisgibt. In Die Holländerinnen entpuppt sich Dorothee Elmiger als eine Meisterin des Unheimlichen. « Kais Harrabi, MDR, Kultur erleben, 20. 08. 25

»Wenn man das Buch liest, wird man wie von einer unsichtbaren Hand in das Dickicht gezogen. Literarisch großes Kino. « Simon Leuthold, SRF Kultur, 19. 08. 25

»Ein Roman, in dem sich zu verlieren großes intellektuelles Vergnügen bereitet. « Julia Hubernagel, taz, 16. 08. 25

» Die Holländerinnen zeigt, wie man aus großer alter Literatur große neue Literatur macht. Diese Lektüre lässt nicht mehr los. « Andreas Platthaus, FAZ, 03. 09.

»Ein staunenswerter Roman. « Marie Schmidt, Süddeutsche Zeitung, 24. 08. 25

»Spannend, abwechslungsreich, klug, souverän Literatur und Kunst zitierend, immer um die Kernfrage kreisend: Wie kann Erzählen gelingen? Die Autorin schreibt auf höchstem Niveau gegen die von ihrer Romanfigur verkündete Unmöglichkeit an und rettet damit vielleicht nicht ihre Figur, sicher aber die Literatur. « Carsten Hueck, DLF, 06. 09. 25

»Elmiger spielt mit der Verunsicherung zwischen Fakt und Fiktion, was besonders sprachlich durch die indirekte Rede verstärkt wird. Es entsteht ein narratologischer Teufelskreis wie ihn die Erzählerin selbst bezeichnet der nachhaltig begeistert. « Susanne Hofinger, ORF, ex Libris, 21. 09. 25

»Dorothee Elmiger lässt einen ganz und gar eigenwilligen, in seiner Fülle geradezu betörenden Text-Raum entstehen. Sich darin zu verlieren ist ein großes Lesevergnügen. « Andrea Gerk, WDR3, Westart, 29. 08. 25

»Eine vielschichtige Meditation über die (Ohn-)Macht des Erzählens. Elmiger hat mit ihrem aktuellen Roman ihr bislang smartestes Werk geschrieben. « Anja Kümmel, Tagesspiegel, 01. 09. 25

»Elmigers schmaler, großer Roman erzählt lebhaft vom Unerzählbaren. « Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 20. 08. 25

Besprechung vom 25.07.2025

Über Erwartungshorizonte hinaus

Einfache Sprache, komplexe Stoffe, große Liebe zur Literatur: Der kommende Bücherherbst hält viel Belletristisches parat, das uns beim Lesen herausfordern wird. Der Ausblick auf besonders bemerkenswerte Neuerscheinungen.

Ende der kommenden Woche kommt ein höchst ungewöhnliches Buch heraus. Es heißt "Einen Vulkan besteigen" und geht selbst einen riskanten Weg. Seine Autorin ist Annette Pehnt, ihres Zeichens nicht nur eine der profiliertesten und wandlungsfähigsten deutschen Schriftstellerinnen, sondern seit einigen Jahren auch Professorin am Literaturinstitut der Universität Hildesheim, das sich neben dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig und dem in Biel angesiedelten Schweizerischen Literaturinstitut als einer der drei wichtigen Prüfstände für den Eintritt ins deutschsprachige literarische Leben etabliert hat. Man könnte auch sagen: Bevor junge Autoren nach Berlin umziehen, stellen sie ihr Talent in Hildesheim, Leipzig oder Biel auf die Probe. Unter anderen bei Annette Pehnt.

Die sich immer wieder auch selbst auf die Probe stellt. Diesmal mit einer Textsammlung, deren inneren Zusammenhang die Form bildet. Pehnt klassifiziert die Bestandteile ihres Buchs als "minimale Geschichten", deren längste denn auch gerade einmal vierzehn Seiten umfasst - und das jeweils in einem lockeren Zeilenumbruch, der an Prosagedichte denken lässt. Doch so populär diese Form jüngst auch geworden ist, das sind diese Texte nicht. Vielmehr gehorchen sie den Regularien eines Schreibprogramms, das Ende des letzten Jahrzehnts am Literaturhaus Frankfurt begründet wurde: LiES - Literatur in Einfacher Sprache. Seine Maximen, wie sie Pehnt in der Nachbemerkung zu "Einen Vulkan besteigen" (Piper Verlag, 281 S., geb., 24,- Euro; Erscheinungsdatum am 1. August) zusammenfasst: Verzicht auf komplizierten Satzbau und Passivkonstruktionen, auf Sprachbilder, indirektes Sprechen und Fachbegriffe, in jedem Satz nur eine Information und für jeden dieser Sätze eine eigene Zeile, knappe Geschichten in linearem Ablauf, Vermeidung von Zeitsprüngen und wechselnden Erzählperspektiven. Man ist versucht zu sagen: Da wird alles beseitigt, was anspruchsvolle Literatur ausmacht; einen "Ulysses" schreibt man so nicht. Aber wer schreibt den schon?

Annette Pehnt schreibt etwas ganz anderes, und das ist auf seine Weise auch meisterhaft und abenteuerlich. Nicht weil es in der Titelgeschichte tatsächlich an den Rand eines Vulkankraters geht und es mit dem letzten Satz offenbleibt, ob die Ich-Erzählerin abstürzt oder nicht. "Ich stolpere", lautet er, und das ist einer der kürzesten Sätze im Buch, dessen längster immerhin zwanzig Wörter umfasst ("Wenn wir ein Bier zusammen trinken, reden wir über seinen Urlaub, seine Geschäfte, seine Rennräder, seine Freunde Olli und Marc") und nicht mehr in eine einzige eigene Zeile passt, sondern deren drei benötigt. Da missachtet Annette Pehnt also durchaus souverän nicht nur eine der Einfachheitsregeln von LiES, sondern auch die empirisch gestützte Erkenntnis, dass ein Großteil der Menschen nach siebzehn Wörtern den Sinnzusammenhang eines Satzes verliert.

Es zeichnet die Autorin aus, dass sie also bisweilen ganz ohne erzählerische Not die selbst gewählten Grenzen überschreitet. Mutwillig ist das, im besten buchstäblichen Sinne. Man könnte auch sagen, Annette Pehnt lässt hier und noch ein paar weitere Male aufscheinen, was aus der Einfachen Sprache doch wieder zur Literatur führen könnte. Eine strikte Reduktion nach Regelwerk hätte ja auch etwas Herablassendes, würde diejenigen, die als Adressaten solcher Texte gelten, abstempeln zu unverbesserlich schlichten Gemütern - wie es etwa jeden Freitagabend in der schauerlichen Nachrichtensendung in Einfacher Sprache geschieht, die der Deutschlandfunk ausstrahlt (zum Glück nur dieses eine Mal in der Woche, was ja schon zeigt, dass da keine Überzeugung herrscht, etwas Sinnvolles zu tun; es ist peinliche Affirmation einer paternalistisch-politischen Erwartung). Pehnt erfüllt mit ihrem Buch keine Erwartungen, sie überrascht mit ihrem Wagemut in der einen wie der anderen Richtung: Hin zur Einfachen Sprache und dann doch auch wieder weg von ihr. Literatur, die diesen Namen verdient, reicht ja immer über den vertrauten und damit bequemen Horizont hinaus - erzählerisch, stilistisch und auch pädagogisch.

Natürlich auch geographisch. Etwa bis Guatemala, einem selten gesehenen Schauplatz deutschsprachiger Literatur. Der beste Roman dieses Bücherherbstes findet dort seinen Schauplatz: Dorothee Elmigers Roman "Die Holländerinnen" (Hanser Verlag, 159 S., geb., 23,- Euro; 19. August), und schon die Diskrepanz zwischen Titel und Schauplatz ist ein Coup. Elmiger durchlief die Kaderschmieden in Biel und Leipzig und hat mit jetzt vierzig Jahren schon drei viel beachtete andere Romane veröffentlicht, doch "Die Holländerinnen" übertrifft sie alle. Würde man den Gegenentwurf zur LiES-Poetik vorgeführt bekommen wollen, dann hier: Schon der erste Satz des ersten Kapitels (nicht der erste Satz des Buches!) geht über elf Zeilen mit fast hundert Wörtern, die Erzählperspektive wechselt permanent (eine auktoriale Stimme berichtet vom Vortrag einer Schriftstellerin, die darin von einem zurückliegenden Erlebnis im guatemaltekischen Urwald erzählt, das erst durch die Stimmen diverser daran Beteiligter in seiner Gesamtheit sichtbar wird und doch undurchschaubar bleibt. Das ist inhaltlich (Dschungel), formal (Erzählsituation) und vor allem metaphysisch (Konfrontation der westlichen Zivilisation mit ihren eigenen Abgründen im Erleben des Fremden) eine aktualisierende Hommage an Joseph Conrads berühmte Erzählung "Herz der Finsternis", was einmal auch durchs explizite Zitieren der berühmtesten Formulierung daraus klargestellt wird: "der Horror, der Horror". Und der, so wird von der erzählten Erzählerin ausgeführt, "liege naturgemäß außerhalb der Sprache". Natürlich weiß Dorothee Elmiger selbst es besser. Und führt es vor.

In diesem Roman wird demonstriert, was aus dem Wissen um und dem Umgang mit Klassikern zu gewinnen ist. Und zwar durch unmittelbare Anknüpfung, nicht durch die gängige Neukombination von deren Versatzstücken, wie es etwa einer der international bereits vor Erscheinen höchstgehandelten jungen Stimmen der deutschsprachigen Literatur betreibt. Nelio Biedermann, gerade einmal Anfang zwanzig, hat als sein bereits viertes Buch einen Roman namens "Lázár" (benannt nach der die Protagonisten stellenden ungarischen Familie; Rowohlt Berlin Verlag, 331 S., geb., 25,- Euro; 9. September) geschrieben, der alsbald in mehr als zwanzig Ländern erscheinen wird. Der Schweizer mit ungarischen Wurzeln väterlicherseits war nicht in Biel, Leipzig oder Hildesheim, sondern studiert noch an der Universität Zürich, unter anderem Filmwissenschaft, und die resultierende erzählerische Wahrnehmungserfahrung merkt man dem Konstruktionsprinzip von "Lázár" an: Schuss-Gegenschuss-Szenen zuhauf, harte Schnitte, gefühlssatte Dialoge, als müssten damit Starschauspieler gelockt werden. Dazu ein paar breitbeinig auftrumpfende Floskeln, wie sie das Privileg jugendlichen Ungestüms sind: "Der Schriftsteller fürchtet sich vor nichts mehr als vor dem Glück, was nur verständlich ist, denn Schreiben ist Konservieren, Festhalten, Ordnen, das Glück aber meidet die Sprache, entzieht sich den Wörtern, versteckt sich in der Vergänglichkeit und zerfällt, wenn man es zu erklären versucht." Ein Glück, dass Biedermann selbst es bei diesem einen Erklärungsversuch belässt.

Was "Lázár" zu erzählen hat, ist indes allemal beachtlich: eine Geschichte Ungarns von der späten Doppelmonarchie über die Verstümmelung im Vertrag von Trianon 1920, die Etablierung als eigenständiges Königreich in der Zwischenkriegszeit, das Bündnis mit Hitlers Drittem Reich, die deutsche Besatzung von 1944 bis zur von der Sowjetunion bestimmten Politik nach dem Zweiten Weltkrieg, die schließlich den Aufstand von 1956 provozierte. Wer weiß das heute schon noch? Und was interessiert daran jemand, der Anfang zwanzig ist? Das Beeindruckendste neben der erzählerischen Süffigkeit von Biedermanns Roman ist, dass sich bei dessen Lektüre nie das Gefühl des Gesuchten einstellt - dass dem Autor der Stoff organisch zugefallen scheint. Und dass sich dieser junge Schriftsteller traut, sich zunächst unausgesprochen bei "Die Toten" von James Joyce zu bedienen, um drei Seiten später das Schicksal einer seiner Figuren - der interessantesten, obwohl sie gar nicht der Familie Lázár angehört - ganz offen mit einer der schönsten Liebeserklärungen an Proust zu verbinden.

Aber verglichen mit Elmigers Buch ist das Literaturliteratur, nicht eigenständig souveränes Erzählen: Wo der Roman "Die Holländerinnen" erklärtermaßen auf den Schultern eines literarischen Riesenwerks steht und gerade deshalb darüber hinausgelangt, klammert sich "Lázár" an seine literarischen Vorbilder (natürlich auch Thomas Mann oder der magisch angehauchte Realismus von Günter Grass) und gewinnt im Genre des psychologischen Romans nicht an Höhe. Das gelingt anderen Romanen der kommenden Saison: Sten Nadolnys in gleich dreifach gebrochener Erzählperspektive gehaltener "Herbstgeschichte" über die mit Verspätung lebensverändernde Begegnung zweier Männer mit einer Frau, dem ersten Buch des Altmeisters seit acht Jahren (Piper, 239 S., geb., 24,- Euro; 2. Oktober), Katerina Poladjans "Goldküste" über das Anerzählen eines Analysanden gegen seine Analytikerin (S. Fischer, 159 S., geb., 22,- Euro; 27. August) oder mit gewissen Abstrichen Marko Dinics "Buch der Gesichter" über einen Belgrader Schreckenstag im Zweiten Weltkrieg, von dem aus sich rückblickend Lebenswege von Nonkonformisten und Opportunisten erklären (Zsolnay, 461 S., geb., 28,- Euro; 19. August), sowie dem - Warnung an jargonsensitive Leser! - gendersprachenaffirmativen "Mein Vater, der Gulag, die Krähe und ich" von der Leipzig-Absolventin Kaska Bryla, in dem vom Überwinden der Isolation in Corona-Zeiten erzählt wird (Residenz, 256 S., geb., 26,- Euro; 11. August).

Ganz besonders psychologisch und stilistisch geglückt ist indes Dagmar Leupolds Roman "Muttermale" (Verlag Jung und Jung, 172 S., geb., 24,- Euro; 18. September). Sein Ausgangspunkt mag als oft gelesen gelten, zuletzt etwa in Dörte Hansens "Altes Land": die Fluchtgeschichte einer Frau aus Ostpreußen. Diese hier wird zur Mutter von Leupolds Ich-Erzählerin, und wie die frühe Prägung durch eine verlorene Heimat noch die nächste Generation beeinflusst, das ist selten so eindrucksvoll beschrieben worden wie hier. Das frühe Kapitel "Blümerant" etwa hebt an mit einer Beschreibung seines Titelworts: "Im dunkelsten Winkel der Asservatenkammer gelagert, in der Nähe des Pfui, bei dessen Aussprechen die Lippen so gespannt waren wie ein Katapult, damit das Verworfene und Verwerfliche so weit wie möglich wie nur irgend möglich ausgespien werden konnte. Blümerant dagegen war die einigermaßen behaglich auszusprechende Chiffre für einen Zustand des Unwohlseins, der, wie die Wortverhunzung des französischen bleu mourant selbst, trüb, unklar, schlammig blieb und dadurch ertragbar. Sterbendes Blau, die Farbe erfrorener Lippen." Und damit sind wir semantisch wieder bei der winterlichen Fluchterfahrung der Mutter angelangt.

Auch das, worauf der Roman hinausläuft, ist schon oft erzählt worden: der Tod der Mutter. Und im Krematorium erinnert sich die Tochter daran, was die Verstorbene am meisten fürchtete: "die Art von Schmerz, die durch Schwieriges erzeigt wird. Schwieriges, das seine Notwendigkeit nicht leugnet, sondern zeigt. Diesen Schmerz habe ich dir bereitet", die Tochter war Schriftstellerin geworden. Eine kompromisslose.

Das ist auch Leupold. Wir haben bei ihr alles andere als Einfache Sprache gelesen: fremdwortreich, bildmächtig, verschachtelt, im Auftaktsatz zur ersten zitierten Passage sogar ohne explizites Subjekt. Also noch ein Gegenstück zu Annette Pehnts minimalen Geschichten, obwohl sowohl Dagmar Leupold (die anderthalb Jahrzehnte lang das Studio Literatur und Theater der Universität Tübingen leitete) als auch Dorothee Elmiger ja dem Umfang ihrer Bücher nach so etwas wie minimale Romane geschrieben haben. Doch was für ein Sprach-, Stil- und Handlungsreichtum in beiden Büchern. Während sich Pehnt, wie sie ausführt, beim Schreiben ständig gefragt hat: "Worauf kommt es wirklich an? Und wie lassen sich in der radikalen Reduktion Zwischentöne, Anklänge, Unterschwelliges erzeugen?" Dass es ihr gelungen ist in den insgesamt fünfunddreißig Geschichten ihres Buchs, verdankt sich dessen innerem Verbund, der dann doch alles das wiederliefert, was zugunsten des LiES-Regelwerks auf der Mikroebene der Einzelgeschichten aufgegeben werden musste: Multiperspektivität, Zeitsprünge, Informationsvielfalt, Interlinearität. Mithin das, was Literatur ausmacht. Auch in Einfacher Sprache. ANDREAS PLATTHAUS

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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Von Monsieur am 20.09.2025

Konstruktion von Erzählebenen

Kurz aber dennoch von bemerkenswerter Tiefe präsentiert sich Dorothee Elmigers neuer Roman Die Holländerinnen. Was sofort ins Auge fällt, ist die ungewöhnliche und zugleich äußerst präzise durchdachte Konstruktion des Textes. Die eigentliche Handlung wird nicht in klassischer Erzählform vermittelt, sondern erscheint den Lesern als Bericht. Eine namenlose Schriftstellerin, deren beruflicher Erfolg angedeutet wird, trägt im Rahmen eines Vortrags die Aufzeichnungen einer Reise in einen südamerikanischen Urwald vor. Auslöser für diese Expedition war die Bitte eines bekannten Theatermachers, ihr bei der Erarbeitung eines Kriminalfalls behilflich zu sein: Zwei Holländerinnen sind in dieser abgeschiedenen Gegend spurlos verschwunden. Es geht dabei jedoch nicht nur um die bloße Nachahmung einer realen Recherche für ein Schauspiel, sondern vielmehr um den Versuch, Kunst in ihrer ganzen Tiefe und Vielschichtigkeit greifbar zu machen. Die Erzählerin begibt sich jedoch nicht allein in die Wildnis. Begleitet wird sie von einer Gruppe weiterer Reisender, die ebenfalls Teil des Projekts werden. Während das ursprüngliche Ziel die Rekonstruktion des Verschwindens zunächst den Anstoß liefert, tritt es im Verlauf zunehmend in den Hintergrund. Denn die Mitreisenden beginnen, ihre eigenen Lebensgeschichten preiszugeben. Schlag auf Schlag eröffnen sich neue Erzählungen, die sich übereinanderlegen und die Schriftstellerin nicht nur tiefer in den Dschungel führen, sondern zugleich in die unauflösbaren Verwicklungen menschlicher Existenz. Abgründe, Geheimnisse und Widersprüche tun sich auf, die weit über die äußere Reise hinausweisen. Die literarische Raffinesse Elmigers zeigt sich vor allem in der vielschichtigen Konstruktion des Romans. Da der Text ausschließlich aus dem Bericht der Schriftstellerin besteht, wird alles in indirekter, vermittelter Rede erzählt. Diese Form wirkt zunächst ungewohnt und mitunter sperrig, entfaltet jedoch nach einer kurzen Eingewöhnung ihren eigenen Reiz. Die Distanz, die dadurch entsteht, ist kein Mangel, sondern ein bewusst eingesetztes Stilmittel: Sie schafft eine Sprachfärbung, die dem Werk seine besondere Note verleiht. Bemerkenswert ist zudem, dass der Roman nahezu ohne klassische Hauptfigur auskommt. Zwar fungiert die Schriftstellerin als berichtende Instanz, doch sie selbst tritt kaum als handelnde Figur auf. Stattdessen übernehmen die Erzählungen der Begleiter die Führung. Eine Geschichte geht in die nächste über, Figuren aus einer vorangegangenen Episode beginnen selbst wieder zu erzählen. Auf diese Weise entsteht ein Bericht im Bericht, der das Werk zu einem literarischen Geflecht aus mehreren Erzählebenen macht. Elmiger jongliert gekonnt mit diesen Überlagerungen, sodass die Vielzahl der Stimmen und Episoden nicht zerfasert, sondern in eine komplexe, aber stringente Gesamtarchitektur mündet. Gerade durch diese Bauweise entfaltet Die Holländerinnen eine neuartige Komplexität, die Elmiger bis zum Ende souverän durchhält. Die vielen kleinen Anekdoten und Episoden verdichten sich nicht nur zu einem Gesamtbild, sondern beginnen dieses am Ende beinahe zu sprengen: Das Erzählte läuft über, wird mehr als die Summe seiner Teile. Der Kriminalfall um die verschwundenen Holländerinnen, der an einen True-Crime-Stoff erinnert, bleibt dabei eher Kulisse. Er dient als Bühne, auf der unterschiedliche Formen von Existenz, Realität und Fiktion zusammentreffen teils realistisch, teils surreal. Insgesamt ist Die Holländerinnen ein Roman, der vor allem durch seine Erzählweise fasziniert. Das Ineinandergreifen von Einzelgeschichten und die Verknüpfung zu einem großen Ganzen eröffnen eine neue Perspektive auf Literatur. Nicht jede Episode ist gleich stark, manche Themen wie Kapitalismus oder Kolonialismus werden eher angerissen als vertieft. Dennoch überzeugt die Ausführung durch Präzision und Geschlossenheit. Es ist kein gefälliger Roman, den man leicht liebgewinnt, sondern ein Experiment, das herausfordert und gerade deshalb zur näheren Beschäftigung einlädt.
LovelyBooks-BewertungVon Steve91 am 17.09.2025
Bildgewaltige Erzählung über Grenzerfahrungen, lose angelehnt an eine wahre Geschichte Elmigers Roman steht auf der Long- und auf der Shortlist des deutschen Buchpreises 2025. Hierin erzählt eine Schriftstellerin in einer Vorlesung von einem Trip in einen Urwald. Die Schriftstellerin soll für den sog. "Theatermacher", der sie auch zu diesem Trip eingeladen hat, die Geschehnisse protokollieren und niederschreiben. Von diesem Erlebnis erzählt die Erzählerin und berichtet dabei von dem Zusammentreffen mit anderen Protagonisten und Personen, die der Theatermacher eingeladen hat. Dies ist lose angelehnt an das tatsächliche Verschwinden zweier junger Niederländerrinnen in Panama.Es wird bildhaft und sehr dicht beschrieben, was die Protagonistin erlebt, wie sich ihr Empfinden verändert und wie sie sich, je tiefer die Expedition in den Urwald geht, immer verlorener fühlt. Die anderen Personen erzählen dabei Episoden aus ihrem Leben, angeregt durch die jüngsten Geschehnisse und Erfahrungen. Meist geht es ebenfalls um Erlebnisse, die sie verängstigt oder verstört haben und in denen sie einen Kontrollverlust erlebt haben und meist ist die Gewalt, wenn sie denn überhaupt beschrieben wird, von psychischer Natur.Der Text befindet sich durchweg in indirekter Rede und auch wenn die Beschreibungen detailliert und von einer wunderschönen und aussagekräftigen Sprache sind, macht das die Lektüre dennoch anspruchsvoll.Insgesamt eine lohnenswerte Lektüre, getragen von den kleinen Erzählungen und Geschichten und dem Gefühl der unterschwelligen Bedrohung und Entfremdung.
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