Schwergewichtige Themen, locker und oberflächlich abgehandelt
Das alte Thema einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung: Katja Früh verbindet es hier mit dem aktuellen Thema des assistierten Suizids. Eine Frau, Anfang 70, entscheidet sich für den Suizid. Noch hat sie keine erkennbaren Beschwerden, aber da sie sich bisher über Schönheit und gesellschaftlichen Status definierte, möchte sie sie quasi vorauseilend den vermuteten Einschränkungen des Alters entgehen. Inwieweit das der Wirklichkeit der Sterbehilfeorganisationen entspricht, sei dahingestellt. Die Beziehung zur Tochter ist mehr als kompliziert. Ihr tägliches Miteinander ist seitens der Mutter geprägt durch Manipulationen, Vorwürfe und Herabsetzungen. Die Tochter ist für die Mutter deren verlängertes Selbst und entspricht nicht den Erwartungen der Mutter; Mutterliebe erscheint hier pervertiert zur Selbstliebe. Umgekehrt fühlt sich die Tochter verantwortlich für das Wohlergehen der Mutter und trägt das ihre dazu bei, dass die Mutter sich ständig aufs Neue in Szene setzen kann. Damit schlägt die Autorin schwergewichtige Themen an, die sie aber leicht und locker abhandelt. Sie verzichtet auf Vertiefungen und reichert stattdessen die Handlung mit einem Kaleidoskop anderer Themen an, die jedoch allesamt nur kurz aufleuchten. Da ist der Suizid der ehemals jüdischen Großmutter und deren Überlebensschuld, der Alkoholismus des Vaters, Me-too, Berufswechsel, Kinderwunsch, Glaubenszugehörigkeit, Freundschaft, Sucht und Co-Abhängigkeit, Wunsch nach Familie, Liebesabhängigkeit, Einsamkeit und anderes, inklusive eines Decken häkelnden autistischen Freundes. Keines der Themen wird vertieft, alles bleibt an der Oberfläche stecken, auch die verschiedenen Liebes-Beziehungen, die der Roman vorstellt. Auch die Figuren bleiben eher eindimensional und lassen keine Tiefe erkennen. Gelegentlich blitzt der scharfe Blick der Autorin aber durch und sie zeichnet mit wenigen Worten eine eindrückliche Gefühlslage, z. B. wenn die Tochter nach dem Tod der Mutter erkennen muss, dass sie ihr ganzes Leben lang "einer Liebe, einer Geborgenheit" hinterherlief, "eine Jagd nach einem Phantom" und nun keine Liebe mehr empfinden kann.Die Autorin kann schreiben, unbestritten, und sie hat einen guten Blick für eine groteske, teilweise makabre Situationskomik. Diese Szenen kostet sie aus, und sie setzt dabei auf Wiederholungen. Die schlagfertigen Herabsetzungen der Mutter werden zum running gag, ebenso die gefühlvollen Beteuerungen der Tochter, wie umsorgt sie sich bei der Freundin der Mutter gefühlt habe. Hier und an anderen Stellen wären Kürzungen gut gewesen, es sei denn, der Leser findet sich in dieser Art von Humor wieder. Ich selber gehöre nicht dazu.