Beatrice Frasl widmet sich in "Entromantisiert euch!" einer der tiefsten und zugleich folgenreichsten gesellschaftlichen Illusionen: der romantischen Liebe und entlarvt sie als zentrales Machtinstrument des Patriarchats. Frasl ist Kulturwissenschaftlerin, Geschlechterforscherin und als Autorin, Podcasterin ("Große Töchter") und Kolumnistin bekannt für ihre feministische Bildungsarbeit, auch auf Social Media als @fraufrasl. Bereits mit "Patriarchale Belastungsstörung" hat sie 2022 feministische Debatten angestoßen mit Entromantisiert euch! legt sie nun nach.
Worum gehts genau?
Das Buch seziert die romantische Liebe nicht als kitschige Idee, sondern als strukturelles Problem. Romantik, so Frasl, ist keine neutrale Emotion, sondern eine gesellschaftliche Praxis, die Frauen in Abhängigkeiten bringt: emotional, ökonomisch, physisch. Es geht um psychische Belastungen, Care-Arbeit, finanzielle Ausbeutung und geschlechtsspezifische Gewalt alles innerhalb des Rahmens romantischer Beziehungen. Dabei ist das Buch kein Manifest gegen die Liebe, sondern ein radikaler Ruf, sie neu zu denken. Frasl führt durch Kulturgeschichte, Popkultur, Statistik und persönliche Anekdoten immer mit dem Ziel, aufzuzeigen: Wir müssen nicht (mehr) lieben, um vollständig zu sein.
Meine Meinung
Dieses Buch hat mich schockiert, bestätigt, empört und zugleich zum Aufatmen gebracht. Besonders die Kapitel über emotionale und häusliche Gewalt haben mich tief berührt. Die Autorin stellt klar: Frauen sind am meisten von Gewalt betroffen, und zwar oft durch die, die sie lieben. Auch die Aufarbeitung psychischer Belastung innerhalb von Beziehungen etwa durch fehlende Fürsorge, mangelnde emotionale Verfügbarkeit oder toxische Männlichkeit war hart, aber notwendig. Die Kritik an weiblicher Sozialisation, an Erziehung zur Selbstaufgabe, hat mich besonders getroffen. Dass Frasl gleichzeitig fundierte Daten mit feministischer Wut verknüpft, hat mir imponiert auch wenn ich mit der ironischen Sprache nicht immer ganz warm wurde.
Stellenweise war mir der Stil zu pointiert, zu sarkastisch und die durchgehende Ansprache mit Sie hat bei mir eine gewisse Distanz erzeugt, obwohl der Inhalt geradezu nach Nähe, Solidarität und einem kollektiven Wir ruft. Trotzdem: Inhalten wie dem emotionalen Aufwand in Beziehungen, dem Mental Load, der ungerechten Arbeitsteilung, dem Bild der selbstaufopfernden Frau all das wurde präzise und eindringlich beschrieben. Besonders eindrucksvoll fand ich die internationale Perspektive, etwa die 4B-Bewegung aus Südkorea, oder die Darstellung alternativer Beziehungs- und Familienmodelle von platonischer Elternschaft bis hin zu matrilinearen Gesellschaften wie bei den Mosuo. Auch die Kritik an kapitalistischen Interessen in der Romantik etwa durch die Bumble-Kampagne gegen freiwillige Enthaltsamkeit war für mich ein Aha-Moment.
Das abschließende Kapitel zur "Postromantik" war schließlich mein persönliches Highlight. Die Vorstellung, dass Fürsorge auch außerhalb romantischer Beziehungen stattfinden kann unter Freundinnen, Geschwistern, Wahlverwandtschaften hat mir Hoffnung gegeben. Ich wünsche mir rechtliche Modelle für solche Beziehungsformen. Und ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der ich nicht mehr gefragt werde, warum ich keinen Freund habe, sondern ob ich glücklich bin.
Fazit
"Entromantisiert euch!" ist inhaltlich ein feministisches Meisterwerk klug, wütend, radikal und notwendig. Der Schreibstil war für mich stellenweise gewöhnungsbedürftig, aber nie unzugänglich. Wegen der sprachlichen Distanz ziehe ich einen Stern ab inhaltlich ist das Buch für mich eine glasklare 10/10. 4 von 5 Sternen. Dieses Buch verändert Perspektiven wenn man bereit ist, sich wirklich darauf einzulassen.