
Besprechung vom 25.11.2025
Tun, was einen ängstigt
Der Schriftstellerin Connie Palmen zum Siebzigsten
Ihre Stimme, die der Bücher und der Frau, hat oft etwas Kontemplatives, manchmal schmerzerfahren Abgeklärtes - wenn man Connie Palmen aber in Fleisch und Blut vor sich hat, wirkt sie wie ein unglaublich lässiger Rockstar um 1975, eine Mischung aus Rod Stewart, Mick Jagger und Patti Smith, hager und herausfordernd mit provokantem Grinsen.
So ist sie uns vor gut zwei Jahren einmal begegnet, bei einem Treffen in Amsterdam mit niederländischen und flämischen Schriftstellern verschiedener Generationen, und ohne jemandem am Zeuge flicken zu wollen, muss man sagen: Sie wirkte trotz ihrer geringen Körpergröße so imposant, so cool, als ob sie alle anderen locker in die Tasche stecken könnte. Dass sie sich nicht darum schert, was andere über sie denken, hat sie oft gesagt, und jüngst in dem mehrsprachigen Podcast "Kopje Koffie" hinzugefügt, sie empfinde Spaß daran, frech zu sein.
Frech wirkte auf manche, nicht nur in der Heimat der in der niederländischen Provinz Limburg Geborenen, ihr literarisches Debüt, das auf Deutsch 1993 unter dem Titel "Die Gesetze" erschien. Darin begegnet die Ich-Erzählerin sieben Männern in sieben Jahren und schildert die Beziehungen: zu einem Astrologen, einem Epileptiker, einem Philosophen, einem Priester, einem Physiker, einem Künstler und einem Psychiater. Nicht nur das Formelhafte daran stieß auf Widerstand; in dieser Zeitung erschien ein Verriss, der Palmen vorwarf, ihre "philosophische Klippschule in schwersinnige Dialoge umzumünzen, die gewöhnlich den erotischen Verwicklungen vorangehen". Zum Bestseller wurde das Buch trotzdem. Heute - "Die Gesetze" ist jüngst in der Reihe "Modern Classics" bei Diogenes wieder aufgelegt worden - wirkt das damalige Urteil zumindest auf den hier Schreibenden zu hart, die Erzählung trotz oder wegen ihres Charakters als Zeitdokument der Achtziger teils sehr unterhaltsam, nicht zuletzt wegen solcher Sätze: "Was einen ängstigt, muss man tun, es ist das Sicherste."
Palmen war damit in den Niederlanden wie im deutschsprachigen Raum auf die literarische Landkarte gesetzt und begann eine stetige Produktion von Gesellschaftsliteratur, die oft um amour fou zu Intellektuellen und/oder Don Juans kreiste, manchmal auch nah am eigenen Leben. In Ihrem "Logbuch eines unbarmherzigen Jahres" (2011) schildert sie ihre Liebesbeziehung zu dem niederländischen Staatsmann Hans van Mierlo bis zu dessen Tod. Zu ihren stärksten Büchern gehört "Du sagst es" (2016), eine romanhafte Darstellung der dichterischen Liebesbeziehung zwischen Sylvia Plath und Ted Hughes.
Jüngst hat sich Palmen in dem Essayband "Vor allem Frauen" essayistisch mit Vorbildern von Virginia Woolf bis zu Joan Didion auseinandergesetzt. In der Neuausgabe von "Die Gesetze" schreibt die 1979 geborene österreichische Schriftstellerin Teresa Präauer im Nachwort, es habe sich seit Erscheinen des Buches manches an den Geschlechterverhältnissen geändert, aber "jeder muss wohl zu jeder Zeit durch verschiedene Pubertäten und Transformationen gehen, auch mit Mitte vierzig, Mitte sechzig oder Anfang neunzig". Am heutigen Dienstag wird Connie Palmen siebzig. JAN WIELE
Connie Palmen:
"Die Gesetze".
Roman.
Aus dem Niederländischen von Barbara Heller. Diogenes Verlag, Zürich 2025. 256 S., geb.
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