REZENSION - Vor mittlerweile 13 Jahren überraschte der Literaturwissenschaftler und Publizist Jörg Bong (59) unter französischen Pseudonym als Jean-Luc Bannalec den deutschen Buchmarkt mit dem ersten Kriminalfall seines recht eigenwilligen, unkonventionell ermittelnden und eben deshalb aus Paris in den kleinen bretonischen Küstenort Concarneau strafversetzten Kommissar Georges Dupin. Seitdem erschienen Jahr für Jahr neue Bände der erfolgreichen, in mehrere Sprachen übersetzten Krimireihe, deren erste Folgen schon bald für das Fernsehen verfilmt wurden. Mit "Bretonische Versuchungen" erschien im Juni nun schon der 14. Fall im Verlag Kiepenheuer & Witsch.Gerade in dem Moment, als Dupin das kleine schwankende Boot betreten will, auf dem er mit Hilfe eines Coaches seine Angst vor tiefen Gewässern bekämpfen soll, erreicht ihn ein Anruf: Eine Frau ist ertrunken - allerdings nicht im Meer, sondern in einem großen Bottich voller Schokolade. Wie sich herausstellt, wurde die Inhaberin einer alteingesessenen Confiserie in Concarneau brutal ermordet. Bei seinen Ermittlungen in diesem selbst für den erfahrenen Kommissar ungewöhnlichen Mordfall, der ihn sogar auf einem rasanten Roadtrip bis ins Baskenland führt, wird Dupin erstmals von seiner intelligenten Büroleiterin Nolwenn begleitet und aktiv unterstützt. Sehr lange tappt das Ermittlerteam im Dunkeln, bis endlich erkennbar wird, dass es in diesem Fall um alte Familiengeheimnisse, um Neid und Habgier geht.Wer zu den Stammlesern der Krimireihe gehört, dem wird auch in "Bretonische Versuchungen" alles geliefert, was er vom Autor erwartet: die atmosphärische Beschreibung der rauen Küstenlandschaft, der verwinkelten Gassen kleiner historischer Ortschaften, der nicht immer nur gemütlichen Pausen des Coffein-Junkies Dupin beim Genuss doppelter Café petite und vielerlei kulinarischer Angebote der Bretagne. Bannalecs Beschreibungen gehen gelegentlich - fast einem guten Reiseführer ähnlich - derart in Einzelheiten, dass man die Örtlichkeiten oder Menüs plastisch vor sich sieht, was sicher bei vielen Lesern wieder aufs Neue die Reiselust wecken wird. Eben deshalb wurde Jean-Luc Bannalec nicht nur 2023 offiziell zum Ehrenbürger der Stadt Concarneau ernannt, sondern bereits zuvor mit dem Titel "Mäzen der Bretagne" (2016) und anderen Auszeichnungen geehrt.Was die Fans dieser Krimireihe erfreut, wird anderen lästig erscheinen: Der eigentliche Kriminalfall und die Ermittlungen geraten manchmal in den Hintergrund. Eine gewisse Spannung wird zwar durch die unterschiedlichen Charaktere und durch das situative Verhalten der Protagonisten erzeugt als weniger durch die Handlung selbst. Doch die für einen Krimi notwendige dramatische Entwicklung verliert immer wieder durch längere Beschreibungen von Land und Leuten an Dynamik.In diesem 14. Band kommt ein weiterer Punkt hinzu: Während in früheren Bänden dieser Reihe die für Bannalecs Krimis typischen Sachinformationen eher beiläufig eingestreut wurden - man nimmt sie zur Kenntnis, lässt sich dadurch aber nicht vom Lauf der Handlung ablenken -, übertreibt es der Autor im neuen Band mit langatmiger Wissensvermittlung über die Herkunft der Kakaobohnen, über deren Verarbeitung zu schmackhafter Schokolade, über die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen bis hin zu Fragen der Lebensmittelchemie. Bannalec zitiert sogar aus wissenschaftlichen Werken, deren Aussagen nicht nur Kommissar Dupin kaum versteht, sondern für den Krimi-Leser nicht unbedingt relevant sind und ihn eher langweilen. Hier wären wenige Kernaussagen völlig ausreichend gewesen, sofern sie überhaupt für die Lösung des Mordfalles von Bedeutung sind.Zusammengefasst lässt sich sagen, dass "Bretonische Versuchungen" ein netter, unterhaltsamer Roman für Liebhaber der Bretagne, ihrer Natur und guten Essens ist. Freunde spannender Krimis werden aber das Nachsehen haben und dürften versucht sein, manche Seite zu überschlagen. Fast scheint es, als ginge dem Autor auf der Suche nach Ideen allmählich die Luft aus. Wer die Reihe noch nicht kennt, sollte deshalb besser mit dem ersten Band "Bretonische Verhältnisse" aus dem Jahr 2012 beginnen.