Die 13-jährige Emilia Bassano lebt im England des 17. Jahrhunderts als Mündel bei einer Pflegefamilie. Als Mädchen von niedrigem Stand hat sie durch ihr musikalisches Talent Zugang zum königlichen Hof. Als sie von ihrer Pflegefamilie fort muss, wird sie von ihrem Cousin als Kurtisane an den sehr viel älteren Lord Hunsdon verkauft. Er behandelt sie gut, sie kann bei ihm ihrer Leidenschaft für das Schreiben nachgehen. Und trotzdem lebt sie in einem Gefängnis ohne eigene Stimme. Doch sie möchte gehört werden, möchte, das ihre Stücke in die Welt getragen werden. Aber Frauen haben in dieser Welt und Zeit keine Stimme.
Männer gingen davon aus, dass Frauen dafür ausersehen waren, sich an den Rändern der Gesellschaft zu bewegen, anstatt die Hauptrollen in ihren eigenen Geschichten zu spielen. Aber warum sollte Gott ihr eine Stimme gegeben haben, wenn nicht vorgesehen war, dass sie diese auch benutzte? (S. 140)
Und so verkauft sie ihre Geschichten an niemand Geringeren als William Shakespeare, der eines Tages zu Englands berühmtesten Dramatiker werden sollte
Im zweiten Erzählstrang im New York der Gegenwart, begleiten wir Melina Greene. Sie ist Studentin der Anglistik, möchte erfolgreiche Theaterstücke schreiben und ist eine Nachfahrin von Emilia Bassano. Ihre Geschichte möchte sie erzählen mit dem Stück By Any Other Name, in dem sie nicht nur das Leben ihrer Ahnin erzählt, sondern auch ein Augenmerk auf das Gerücht legt, ob Shakespeare wirklich so ein großer Schriftsteller war. Doch hat sich die Welt geändert oder muss sich Melina ähnlichen Strukturen stellen?
Jodi Picoults Roman hat mich schlichtweg umgehauen! Er wechselt zwischen den Jahrhunderten, zwischen Bühne, Archiv und dem wahren Leben.
Emilias Geschichte hat mich dabei ein wenig mehr fasziniert, als Melinas Erzählstrang. Der historische Teil ist unglaublich gut recherchiert und ich habe Emilia so gerne begleitet durch die Höhen und Tiefen ihres Lebens. Dagegen blieb Melinas Geschichte manchmal etwas blass, doch im Zusammenhang gesehen, ergänzen sich die beiden Storylines perfekt.
Es geht in diesem Buch um Sichtbarkeit, um die Stimmen der Frauen, die auch in der heutigen Zeit immer noch zu wenig gehört oder ernst genommen werden. Das Buch stellt die richtigen Fragen. Wer wird gehört, wer vergessen? Wessen Werke werden in den Himmel gelobt, und wessen werden vergessen werden?
Es war einmal ein Mädchen, das unsichtbar wurde, damit ihre Worte es nicht waren. (Zitat)
Zudem lenkt Picoult den Blick noch auf das immer noch nicht widerlegte, literarische Gerücht, ob Shakespeare wirklich alle seine Werke selbst geschrieben hat. Dieser Aspekt war für mich zusätzlich sehr interessant zu lesen und ich werde mich ein wenig tiefer in seine Arbeit begeben und seine berühmten Stücke nun mit einem anderen Blickwinkel lesen.
Wir schreiben unsere Namen in den Wind ist ein spannender, historischer Roman für Fans von starken Frauenfiguren und alle, die wissen wollen, was die Literaturgeschichte vielleicht verschweigt. Für mich ein kleines Highlight!