Rasant, aber mit ein paar Glaubwürdigkeitsdellen.
++++++Spoilerwarnung++++++Evie Gordon, eine brillante, leicht abgehalfterte SAT-Tutorin, stolpert im Haus ihrer Schülerin in Beverly Hills in ein Verbrechen und befreit eine gefesselte Fremde namens Jae. Aus zwei Zeuginnen werden binnen Stunden Gesuchte; gemeinsam fliehen sie quer durchs Land, während Medien und Internet sie zum Spektakel machen. Das Ergebnis ist ein Road-Thriller über Begehren, Klassenaufstieg und das verführerische Versprechen von "Potenzial".Deitch erzählt mit einer Ich-Stimme, die wie ein Motor läuft: spitz, sarkastisch, unangenehm direkt. Die Setpieces sitzen, die Mediensatire hat Biss und lange trägt ein Tempo, das auch in ruhigeren Szenen Spannung hält. Gerade Evies Blick auf Leistungsideologie und Clickbait-Kultur schärft den Roman über die reine Verfolgungsjagd hinaus. Gleichzeitig schrammt die Handlung mehrmals an der Plausibilität vorbei: Der Sprung von der zufälligen Zeugin zur landesweiten Fahndung wirkt erzählerisch effektiv, blendet aber polizeiliche und forensische Abläufe sehr großzügig aus. Auch die erstaunlich geringe Zahl echter Zugriffsmomente auf der Flucht, trotz Kameras, Kennzeichenscannern und Gesichtserkennung, fühlt sich eher nach Plot-Glück als nach realistischer Risikolage an. Hinzu kommt Jaes fast universelle "Beschaffungs"-Kompetenz - Autos, Geld, Unterschlupf erscheinen oft genau dann greifbar, wenn es dramaturgisch passt; das liest sich flott, glättet aber die Logistik der Flucht wie ein Drehbuch-Shortcut.Im Zentrum steht die Beziehung zwischen Evie und Jae und die ist zugleich Stärke und Reibungsfläche. Unter Dauerstress entsteht nachvollziehbar eine Trauma-Bindung: Nähe, Misstrauen und Lust liegen übereinander, was der Dynamik Wucht verleiht und die Körperlichkeit wirkt in der permanenten Gefahr roh und plausibel. Zugleich bleibt die Asymmetrie lange groß, weil Jae wenig von sich preisgibt und ihre Motive diffus bleiben. Dass Evie so früh so tief investiert - emotional wie praktisch - wirkt stellenweise weniger wie gewachsene Intimität als wie Projektion; dramaturgisch erzeugt das Sog, kostet aber Realismus, weil Vertrauen und Begehren schneller eskalieren, als es die Gegenseitigkeit trägt.Unterm Strich ist Killer Potential ein energiegeladener, klug beobachteter Thriller mit messerscharfer Erzählstimme und satirischem Funkenflug, dem man jedoch einige Plausibilitätskröten und eine etwas einseitig codierte Beziehung verzeihen muss.