Ich ging mit ziemlich hohen Erwartungen an Hannah Graces Icebreaker heran schließlich schwärmt gefühlt die halbe BookTok Community davon. Und ja, ich verstehe den Hype. Teilweise.
Grace hat hier definitiv Charaktere geschaffen, die mehr sind als nur hübsche Fassaden. Anastasia mit ihrem obsessiven Perfektionismus und den Selbstzweifeln, die unter ihrer Disziplin brodeln das ist authentisch gezeichnet. Nathan wirkt anfangs wie der typische Golden-Boy-Athlet, entwickelt aber echte Tiefe, wenn seine Verletzlichkeit durchschimmert. Diese Facetten haben mich wirklich überzeugt.
Aber dann passiert etwas Seltsames: Die beiden werden plötzlich zu Hobby-Therapeuten. Klar, ein 20-Jähriger kann emotional intelligent sein, aber diese fast schon klinisch präzisen Selbstreflexionen? Ich erkenne meine Trigger und arbeite bewusst daran, gesunde Grenzen zu ziehen seriously?
Was Grace gut macht: Sie lässt wichtige Themen wie Mentale Gesundheit, Leistungsdruck und Traumabewältigung nicht nur Kulisse sein. Selbst wenn das Buch in... nun ja, sehr expliziten Momenten versinkt, verlieren diese Aspekte nicht ihre Relevanz. Das ist handwerklich durchaus geschickt.
Allerdings und hier wird's für mich problematisch übernimmt irgendwann der Spice die Kontrolle über die Geschichte. Ich zähle nicht mit, aber gefühlt löst sich jede zweite Szene in körperliche Nähe auf, und oft ohne dass es der Handlung dient. Als Lektorin frage ich mich da schon: Wo ist der Plot geblieben? Die olympischen Träume, der Leistungsdruck, die Teamdynamik das alles wird zur Nebensache.
Icebreaker ist solide Unterhaltung für alle, die sich nach einem Feel-Good-Romance mit heißen Szenen sehnen. Grace kann schreiben, keine Frage. Aber als jemand, der beruflich an Geschichten arbeitet, hätte ich mir gewünscht, dass sie ihren eigentlich interessanten Plot nicht für endlose Spice-Szenen geopfert hätte.
Fazit: Gute Charakterarbeit, wichtige Themen, aber zu sehr auf das eine Element fokussiert.