Ein neuer Blick auf Robicheaux
Dies ist der vierundzwanzigste Roman aus der Dave-Robicheaux-Reihevon James Lee Burke und ist gerade in einer deutschen Übersetzung bei Pendragon erschienen. Diesen hardboiled Roman zeichnet aus, dass der Erzähler der Geschichte gewechselt hat. Kein unabhängiger Erzähler und auch nicht die Hauptfigur dieser Reihe erzählt, was so abgeht. Nein es ist Robicheauxs langjähriger Freund Purcel.Obwohl es immer noch ein Kriminalroman ist, hat sich der Fokus deutlich verschoben. Verbrechen und ihre Lösung sind nach wie vor zentrale Themen. Allerdings gewinnen die Charaktere der Protagonisten Robicheaux und Purcel, ihre Umgebung und die politischen Aspekte in den USA zunehmend an Bedeutung. Trotz dieser Veränderungen hat der Roman keineswegs an Spannung und Unterhaltungswert eingebüßt, im Gegenteil.Zunächst beginnt alles ganz harmlos. Clete hat seinen Caddilac Eldorado bei einem Kumnpel in der Waschanlage abgegeben, um ihn reinigen zu lassen. Doch kaum hat er ihn von dort abgeholt, da wird der Wagen von zweilichtigen Typen auseinander genommen und zerfleddert. Offenbar haben sie etwas gesucht und nicht gefunden.Diese Typen sind aber harnäckig und fordern immer wieder von Clete zur Herausgabe ihrer Sachen ein. Dabei schrecken sie nicht vor Gewalt zurück und gehen auch über Leichen. Clete selbst kommt kaum unverletzt aus so mancher Begenung heraus. Aber er hat ein riesengroßes Problem: Er weiß gar nicht, um was es geht. Was wollen die Typen von ihm? Auch von seinem Waschstraßenkumpel Eddy wird er nichts erfahren.Die Jagd nach dem, was in Cletes Caddy versteckt sein soll, bestimmt den Roman. Wobei Clete und Dave aber den Spieß umdrehen und Jagd auf die Ganoven machen, die hinter Clete her sind.Es ist faszinierend, wie anders die Geschichte klingt, wenn eine andere Figur sie erzählt und mit welcher Akribie der Autor daran gearbeitet zu haben scheint. Zwar ähneln sich die beiden Figuren, Dave und Clete, an vielen Stellen, aber doch ist der eine Cop und an Regeln gebunden, die er bei weitem nicht immer einhält, es aber versucht, der andere als Privatdetektiv völlig freier und nimmt auch mal Jobs von Verbrechern an. Der Erzählstil dieses Romans gibt also mal eine andere Stimmung wieder.James Lee Burke, ein politischer Schriftsteller, artikuliert seine Ansichten durch die Handlung seiner Romane. In diesem Buch integriert er viele metaphorische Details in die Visionen des Erzählers, der regelmäßig Jeanne d'Arc aus dem 15. Jahrhundert sieht und sogar mit ihr interagiert. Diese Visionen scheinen den Erzähler jedoch in den Wahnsinn zu treiben, was er nicht leugnen kann. Dennoch unterstützen sie ihn dabei, sich weiterhin für Gerechtigkeit einzusetzen. Verbrechen gegen Frauen und Juden belasten Clete sehr. Obwohl er gelegentlich für Kriminelle tätig ist, sind Kinder und Frauen für ihn unantastbar. Hier zeigt sich, dass die heutigen USA unter Donald Trump sich unweigerlich in Richtung Mittelalter bewegen.James Lee Burkes Erzählstil bietet eine Vielfalt an Darstellungsmöglichkeiten. Er integriert Landschaften, Orte, Figuren und Ereignisse ausgewogen in seine Geschichten und schafft so ein umfassendes Gesamtbild. Es ist deutlich spürbar, wie sehr er die Menschen, die Landschaften von Louisiana und das Streben nach Gerechtigkeit schätzt, obwohl er auch die Hoffnungslosigkeit betont, dass diese Gerechtigkeit vielleicht nie erreicht werden kann.In den vorangegangenen Büchern war Sarkasmus ein wiederkehrendes Element. Witzige und anzügliche Dialoge sorgen für Lebendigkeit. Der spezielle Humor zwischen Dave und Clete zeigt sich oft in ihrer langjährigen Partnerschaft als die "Bobbsey Twins von der Mordkommission", was zu Wortgefechten führt, die nur zwischen engen Freunden entstehen können. Letzteres ist eine Anspielung der beiden auf ihre gemeinsame Zeit bei der Polizei.Wie auch bei den anderen Büchern dieser Serie, kann ich einfach nicht anders, als "Clete" zu empfehlen. Aufgrund der einzigartigen Freundschaft der Hauptfiguren und der kontroversen Thematik in einem Südstaaten-Setting der USA ist es ein Roman, den man unbedingt gelesen haben sollte.© Detlef Knut, Düsseldorf 2025