Tilly und Poe - ein perfektes Ermittlerpaar
Typisch britisch, ohne das Ganze zu ernst zu nehmen - so lässt sich der fünfte Band um Cravens eigenwilliges Ermittlerteam wohl am besten beschreiben. Detective Sergeant Poe und die brillante Fallanalystin Tilly Bradshaw bekommen es diesmal zusammen mit ihrer Chefin DI Stephanie Flynn, frischgebackene Mutter und mitten im Spagat zwischen Baby und Mordermittlungen, mit einem perfiden Giftmörder zu tun. Drei Opfer hat er bereits angekündigt und - trotz Polizeischutz - gnadenlos hingerichtet. Immer hinterlässt er ein Gedicht und eine gepresste Blume. Das vierte Opfer steht schon fest, während Poe gleichzeitig noch versucht, die Unschuld seiner Freundin Estelle Doyle zu beweisen, die wegen des mutmaßlichen Mordes an ihrem Vater im Gefängnis sitzt.Wie gewohnt lebt die Reihe nicht nur vom spannenden Plot, sondern auch von ihren skurrilen Figuren. Mein absoluter Favorit ist Tilly - hochintelligent, sozial unerfahren, mit einer bezaubernd nüchternen und ehrlichen Art, die in jeder Szene glänzt. Dazu kommen eine Chefin, die beim Abpumpen Milch abfüllt und gleichzeitig Verdächtige observiert, ein schwer alkoholkranker, aber messerscharfer Journalist sowie Poe selbst, der düster, verletzlich und innerlich zerrissen durchs Leben geht - ein Ermittler, der "mitten unter den Toten lebt, um die Lebenden zu beschützen".Craven versteht es meisterhaft, seine Figuren durch moralische Dilemmata zu manövrieren. Der Täter stilisiert sich zum narzisstischen Rächer, gewinnt eine Fangemeinde, weil er unbeliebte Promis "aus dem Verkehr zieht" - und zwingt die Polizei, genau diese Personen zu schützen. Das Setting ist atmosphärisch dicht, durchzogen von trockenem, oft rabenschwarzem Humor, gespickt mit cleveren Wendungen und voller Spannung bis zur letzten Seite.Ich habe das Buch im Original, also auf Englisch gelesen - und es hat mir große Freude bereitet. Cravens Sprache ist so geschliffen, dass es sich lohnt, einzutauchen, auch wenn es manchmal herausfordernd ist. Die Fälle sind alle für sich verzwickt, brillant konstruiert und von einer Raffinesse, die mich wirklich bewundern lässt, wie Craven sich solche Geschichten ausdenken kann. Für mich ist er ein wahrer Meister der Spannung.Mein Tipp: Die Reihe unbedingt von Anfang an und in der richtigen Reihenfolge lesen - so entfalten sich Figuren und Dynamik am besten. Und auch wenn bislang nur drei Bände auf Deutsch erschienen sind: Wer ungeduldig ist, dem kann ich die englischen Originale nur wärmstens empfehlen. Ich konnte jedenfalls nicht warten - und habe es keine Sekunde bereut!Eine absolute Empfehlung für alle, die düstere Spannung, skurrile Figuren und typisch britischen Humor lieben.