
Besprechung vom 23.11.2025
Besondere Vorkommnisse
Bücher entsorgen?
Es ist beinahe eine archetypische Geschichte: Ein Sohn, eine Tochter müssen nach dem Tod der Eltern deren Bücher - überhaupt all die Dinge, die ihr Leben als stille Begleiter prägten - wegräumen, irgendwo unterbringen, entsorgen. Wer dies noch nicht erlebt hat, fürchtet sich davor. Und viele von denen, die Bücher lieben und sammeln, werden sich insgeheim schon einmal gefragt haben, welches Schicksal jene Objekte, die sie - und vielleicht sie allein - für Schätze halten, in den Händen der Nachkommen erwarten wird. "Ich muss herausfinden, wie wir diese Bibliothek loswerden", schreibt der isländische Schriftsteller, Künstler und Vogelretter Ragnar Helgi Ólafsson zu Beginn von "Die Bibliothek meines Vaters - Requiem" (mikrotext Verlag, Deutsch von Jón Thor Gíslason und Wolfgang Schiffer, 25 Euro). Die Aufgabe soll "auf entschiedene Weise" gelingen. Doch sie entpuppt sich als "gewaltiges Unterfangen": Die Sammlung umfasst über viertausend Bände. Während Ólafsson in den Büchern seines Vaters blättert, denkt er über den schwindenden Wert privater literarischer Sammlungen nach; darüber, was das Lesen mit mystischen Erfahrungen verbindet - und über die Schwierigkeit des Loslassens. Das "Requiem" im Untertitel gilt nicht nur dem toten Vater, sondern auch einer Kultur, die Bücher nicht bloß als Datenträger, sondern als lebendige Gegenstände schätzt. Sentimental ist Ólafssons Buch dabei nicht, sondern sachlich, ironisch, oft humorvoll - was es merkwürdigerweise nur effektiver und bewegender macht: als Trost für bevorstehende Abschiede, literarische wie persönliche. hdca
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