Rebecca Yarros'Fourth Wingwird vielerorts als DAS neue Highlight im Romantasy-Genre gefeiert - doch für mich konnte der erste Band leider bei weitem nicht mit den Erwartungen mithalten. Trotz interessanter Ansätze, wie einer militärisch geprägten Akademie, Drachen und einer an sich spannenden Prämisse, krankt das Buch an einer Vielzahl von Schwächen - allen voran die zentrale Liebesgeschichte.Bereits zu Beginn wirkt das Verhältnis zwischen Violet und Xaden überzeichnet und unausgereift. Statt einer glaubwürdigen Dynamik bekommen wir das altbekannte Muster serviert: "Er ist gefährlich, ich hasse ihn... aber wow, ist er heiß!" Es ist nicht die selbstbestimmte sexuelle Anziehung, die hier gezeigt wird, sondern ein hin- und hergerissenes Konstrukt, das sich viel zu früh mit emotional aufgeladenen Sätzen wie "Mir bricht das Herz" schmückt. Emotionaler Tiefgang? Leider Fehlanzeige.Xaden selbst bleibt trotz (oder gerade wegen) seiner ständigen Präsenz ein wandelndes Klischee. Seine Persönlichkeit erschöpft sich in düsterem Blick, übertriebener Größe und der ständigen Betonung seiner Attraktivität. Wer ist er eigentlich, außer heiß und gefährlich? Diese Frage scheint das Buch selbst nicht so richtig zu interessieren. Seine Interaktionen mit Violet wirken oft unfreiwillig komisch - besonders Szenen wie die am Anfang, in der er sechs Meter entfernt "bedrohlich" herumsteht, während andere Charaktere dramatisch "Lauf!" rufen, lassen eher an ein übertriebenes Theaterstück denken.Von den Charakteren haben mich am meisten die Drachen überzeugt - sie sind vielschichtiger, glaubwürdiger und interessanter als viele der menschlichen Figuren. Es gibt durchaus auch andere spannende Nebenfiguren, etwa eine non-binäre Person und eine gehörlose Figur, was ich grundsätzlich sehr positiv finde. Leider bleiben diese Charaktere aber reine Nebenerscheinungen, was teilweise den Eindruck erweckt, dass sie eher aus Diversitätsgründen eingeführt wurden als aus echtem Interesse an ihrer Geschichte. Hier wünsche ich mir für die Folgebände deutlich mehr Raum für ihre Entwicklung.Die Handlung an sich leidet unter ungleichmäßiger Erzählstruktur. Es gibt massive Zeitsprünge, die vieles oberflächlich wirken lassen. Entwicklungen in Beziehungen, Freundschaften oder Konflikten werden oft nur angedeutet oder stark gerafft. Statt einem immersiven College-Feeling, das man bei einem Akademie-Setting erwarten würde, bleibt dieses leider weitgehend auf der Strecke. Und obwohl das Buch viele Hinweise für spätere Enthüllungen streut, werden etliche davon noch im ersten Band aufgelöst - wodurch das Foreshadowing eher plump als spannend wirkt.Violet selbst ist eine Figur mit viel Potential - intelligent, kämpferisch, verletzlich. Leider wird ihr Charakter massiv durch ihr ständiges Verhalten rund um Xaden untergraben. Ihre Gedanken kreisen auffällig oft um ihn, was ihrem ansonsten wirklich interessanten Charakterprofil schadet.Fazit: Fourth Wing hätte ein spannender Auftakt in eine mitreißende Reihe sein können. Stattdessen verliert sich der Roman in Romantasy-Klischees, unausgereifter Charakterzeichnung und einer überhasteten Erzählweise. Ich hoffe sehr, dass Band zwei mehr Mut zur Tiefe zeigt - in Handlung wie Figurenentwicklung.