WO DIE UHREN NOCH ANDERS TICKEN...Der alte Max hat alle Zeit. Draußen vor dem Fenster legt sich der Schnee wie eine Decke über das Dorf. Da dringt das Läuten des Totenglöckchens durch die Stille. Es schlägt für den Schorsch, der viel mehr war als nur ein Freund, ein Leben lang. So macht sich Max am Abend auf zur Totenwacht, wo die Alten zusammenkommen, um des Verstorbenen zu gedenken und sich zu erinnern. Eine ganze Nacht erzählen sie von den Freuden bei der Ernte, von Abenden in der Wirtsstube, vom kleinen Glück. Und vom Schorsch. Aber auch von der Enge im Dorf und dem eisigen Schweigen. Erst im Morgengrauen kehrt der Max heim. Im Licht des neuen Tages ist ihm klar: Nichts davon wird wiederkommen. Nur die Erinnerungen an dieses Leben bleiben, so lange er da ist... (Verlagsbeschreibung)"...wenn man schweigt, kommt man sehr gut miteinander aus. Worüber man nicht spricht, das gibt es nicht." In einem kleinen, namenlosen Dorf in Bayern spielt diese leise Erzählung, begleitet den alten Max in den Stunden und Tagen nach dem Tod seines ältesten und besten Freundes Schorsch. Nun wird dieser keine Äpfel mehr aus Max Garten holen und jeden Tag davon essen. Während der leise fallende Schnee alles zudeckt, treffen sich die Alten zur Totenwache für den Schorsch, trinken auf dessen Wohl und verlieren sich in Erinnerungen über den Verstorbenen. Max sitzt nicht nur mit den Mänern beisammen, die die Wache bis Mitternacht halten, sondern auch noch mit den Frauen, die danach zusammenhocken und noch von ganz anderen Begebenheiten erzählen. Dabei taucht man beim Hören allmählich ein in das Dorfleben von damals und heute, erfährt allerlei Details von den unterschiedlichsten Menschen - so wie im Dorf eben jeder jeden kennt und vermeintlich alles über den anderen weiß. Es gibt Geschichten über Freundschaft und Zusammenhalt, aber auch einige Andeutungen von Angelegenheiten, über die nicht gesprochen wird - und die darum auch nicht wahr sind. Von dem plötzlich verschwundenen behinderten Kind beispielsweise, von häuslicher Gewalt oder auch von Eltern, die ihren Kindern bis zuletzt ihre Lebensplanung vorschreiben wollen. Keine unglaubwürdige Idylle also, die Tommie Goerz da entwickelt, sondern ein melancholischer Rückblick auf ein langes Leben und auf das Leben im Dorf, wie es mal war. Denn dass sich ein Wandel anbahnt und schon längst da ist, kann nicht gleugnet werden. Einzug der Moderne, Landflucht der Bevölkerung, Schließung traditioneller Geschäfte und Örtlichkeiten, Verlust von Traditionen. Max und die anderen Alten halten noch an den althergebrachten Gebräuchen fest, aber ihre Nachkommen immer weniger, und die Zugezogenen im Neubaugebiet werden niemals dazu gehören - auch nicht nach den 30 Jahren, die sie jetzt schon da wohnen. Dies ist ein unaufgeregter Roman in ruhigem Erzählfluss, der ungeheuer atmospärisch ist und der trotz der äußeren Handlungsarmut zu fesseln weiß. Die angedeuteten inneren Vorgänge der Personen, die unausgesprochenen Dinge zwischen den Zeilen, die wie nebenbei erwähnten menschlichen Dramen, die Einsamkeit und die gleichzeitige Zugehörigkeit, das karge, einfache, entbehrungsreiche Leben und das Wissen um die Endlichkeit dieser Art von Dorfleben - all dies lässt Tommie Goerz spürbar werden. Thomas Loibl ist der versierte Sprecher der ungekürzten Hörbuchausgabe (4 Stunden und 8 Minuten) und gestaltet die Lesung unaufgeregt und in angemessenem Erzähltempo. Mit seinem kleinen Dorfroman setzt Tommie Goerz einer sterbenden Epoche ein außergewöhnliches, atmosphärisches und eindringliches Denkmal. Bemerkenswert...© Parden