Brunetti geht immer
Brunetti ermittelt dieses Mal privat: Der junge, taubstumme Mann, der in seiner Reinigung gearbeitet hat, ist an einer Überdosis Schlaftabletten gestorben. Kann es sein, dass es gar kein Unfall war? Und wer war der junge Mann überhaupt? Besonders die zweite Frage stellt sich bald, da er offiziell gar nicht zu existieren scheint. Lange ist es her, dass ich einen Brunetti gelesen habe und so war ich gespannt, ob die Reihe ihre Faszination beibehalten hat. Ich kann gleich schon sagen, dass es ihr gelungen ist. Mit Brunetti fühlt man sich wohl - und das, obwohl es an Gesellschaftskritik nicht mangelt und immer wieder mal grundlegene, unangenehme Probleme aufgegriffen und analysiert werden. Hier beschäftigt sich Brunetti zwangsläufig mit dem Thema Sprache - und den Einschränlungen, die ein Fehlen dieser bedeuten. Zudem war der Junge (so wird er hier von vielen gesehen - obwohl er eigenlich schon ein erwachsener Mann ist) auch in seinen geistigen Fähigkeiten eingeschränkt. Brunetti macht sich immer mehr Gedanken dazu, wie er aufgewachsen sein könnte und wie es ihm ergangen ist. So wird hier der Versuch gemacht, sein Leben nach seinem Tod zu rekonstruieren - auch, weil Brunetti nicht an einen Unfalltod glaubt. Ein Aspekt, was es mit der Herkunft des jungen Mannes auf sich hat, war für mich relativ bald ersichtlich und ich hab mir immerzu die Frage gestellt, warum Brunetti es eben nicht merkt. Die ganze Grausamkeit, die das "Lösen" des Falls mit sich bringt, war aber auch für mich überraschend. So ganz zufrieden war ich mit der Auflösung auch nicht - wobei ich da nicht alleine bin. Auch Brunetti muss sich eingestehen, dass es nicht immer Gerechtigkeit gibt. Fazit: Ich frag mich, warum ich so lange keinen Roman der Reihe mehr gelesen habe, da ich mich bei Brunetti und in Venedig wieder sehr wohl gefühlt habe.