Nachdem die letzten beiden Bücher dieser Autorin für mich so lala waren, nicht gut, aber auch nicht überzeugend, konnte mich dieses Buch nach einer eingewöhnungsphase wieder fesseln.
Elisabeth, Anjas Mutter und Lenas Großmutter, muss wegen ihres Gesundheitszustandes in ein Pflegeheim wechseln, was allen in der Familie schwerfällt.
Ihre Charlottenburgerwohnung muss geräumt werden, um den Aufenthalt im Pflegeheim zu finanzieren.
Beim Aufräumen stolpern Anja und Lena über einige Aufzeichnungen und Briefe, die Fragen aufwerfen, Fragen, die Elisabeth bisher vermieden hat zu beantworten.
Dieses Buch wird, wie häufig bei der Autorin auf zwei Zeitebenen geschrieben, zwischen denen fast genau hundet Jahre liegen.
In der Gegenwart wird über Elisabeths Familie berichtet, ihre Tochter und Enkeltöchter und den Belastungen unter denen Frauen häufig leiden, in der Vergangenheit wird die Geschichte von Clara erzählt, Elisabeth`s Tante, die eine zentrale Rolle in der Familiengeschichte spielt.
Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, da es sehr aktuelle Themen aufgreift, sie mit der Vergangenheit verbindet, wodurch sie noch mehr an Aktualität gewinnen.
Die Kritik, dass der Gegenwartstrang ein paar Themen zu viel behandelt , kann ich nachvollziehen, weil es mir auch aufgefallen ist, was ich zu Anfang auch etwas störend empfand, obwohl alle Themen relevant und wichtig sind. Nur ist es oft so, dass sie an Bedeutung verlieren, wenn man sie so nebenbei einwirft und nicht weiter vertieft, aber das hätte wohl den Rahmen des Buches gesprengt, ich habe die Botschaft aber durchaus verstanden, weil sich viele Leserinnen damit identifieren können.
Die Stärke des Buches und das hat mich über viele kleine Fehler hinwegsehen lassen liegt aber in Parallelität der Geschehnisse zwischen Vergangenheit und Gegenwart und zwar durch das Thema Antisemitismus.
In der Gegenwart wird es mit dem Universitätsleben in Zusammenhang gebracht, in der Vergangenehit mit den uns bekannten Geschehnissen der Nazizeit.
Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass wir aus der Geschichte nicht lernen, immer die gleichen Fehler machen, politische Ereignisse verdrehen und zu Ungunsten bestimmter Gruppen missbrauchen. Dass wir keine Unterschiede machen zwischen Menschen und politischen Fehlentscheidungen , wie sie die israelische Regierung sicherlich fällt, aber dafür auch Gegenwind aus der eigenen Bevölkerung bekommt. Man darf nicht vergessen, dass auch diese Regierung rechts ist. Es zeigt leider unsere gespaltene Gesellschaft, die nicht mehr bereit ist zu differenzieren. Meinungen manifestiert und alles "niederknüppelt" was anders denkt.So was macht mir Angst.
Mir hat der Vergangenheitsstrang auch etwas besser gefallen, als der in der Gegenwart, der manchmal etwas zu ausufernd war, doch er zeigt einmal mehr, wie traumatisiert die Kriegsgeneration war, dass sie lange oder auch gar nicht über die Geschehnisse der damaligen Zeit sprechen konnte.
Der Schreibstil und auch die Ausgestaltung der Figuren fand ich gut und so habe ich trotz kleiner Kritikpunkte das Buch gerne gelesen und empfehle es allen Freunden von Familiengeschichten mit politischem Interesse und bedanke mich bei der Autorin, dass sie auf das wichtige Thema Antisemitismus aufmerksam macht.
4, 5 Sterne wohlwollend aufgerundet.