Selten hat mich ein Debüt so gepackt wie Delia Owens Der Gesang der Flusskrebse" Das liegt nicht nur an der geschickt verwobenen Kriminalhandlung, sondern vor allem daran, wie Owens es schafft, mich als Leserin Schritt für Schritt in Kyas Welt hineinzuziehen.
Die Geschichte funktioniert auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Da ist zum einen der Krimi um den Tod von Chase Andrews, der die Seiten umblättern lässt. Zum anderen und das ist das eigentliche Herzstück die Coming-of-Age-Geschichte von Kya, dem Marschmädchen, die mich emotional völlig vereinnahmt hat.
Was mich besonders beeindruckt hat: Owens baut die Beziehung zwischen Leserin und Protagonistin meisterhaft auf. Sie wechselt geschickt zwischen verschiedenen Zeitebenen und lässt mich Kyas Verlassenheit, ihre Überlebenskämpfe und ihre zaghafte Öffnung zur Welt miterleben. Ich habe mit ihr gelitten, gehofft und gebangt. Das gelingt nur wenigen Autorinnen so authentisch.
Die bildliche Sprache ist ein Traum. Owens, selbst Biologin, malt das Marschland so plastisch vor meine Augen, dass ich das Salz auf der Haut spüre und das Geschrei der Möwen höre. Die Natur wird zur Mitspielerin, fast zur Hauptfigur. Das ist kein romantisierender Kitsch, sondern zeigt echtes Verständnis für die Macht und Schönheit der Wildnis.
Auch die Nebenfiguren sind keine Pappkameraden. Tate, der sensible Naturbursche, Jumpin' und Mabel, die Kya wie eine Tochter behandeln, selbst die misstrauischen Dorfbewohner alle wirken echt und vielschichtig. Owens vermeidet platte Schwarz-Weiß-Malerei und zeigt die Komplexität menschlicher Beziehungen.
Emotional hat mich das Buch völlig mitgenommen. Die Themen Einsamkeit, Vorurteile und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit treffen ins Mark. Gleichzeitig ist es ein starkes Statement über eine junge Frau, die sich nicht unterkriegen lässt.
Klar, der Plot hat seine vorhersehbaren Momente, und die Wendung am Ende könnte manchen zu konstruiert erscheinen. Aber das schmälert für mich nicht den Gesamteindruck. Der Gesang der Flusskrebse ist ein Buch, das nachhallt wegen seiner atmosphärischen Dichte und wegen Kya, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.