Dorian Gray fasziniert mit seinem hübschen Antlitz und dem athletischen Körperbau seit dem ersten Tag seiner Ankunft bei den Reichen und Schönen sowohl Frauen als auch Männer. Dandy Lord Henry Wotton und Maler Basil Hallward, eigentlich enge Freunde, buhlen um die Gunst des schönen jungen Mannes - und geraten darüber immer öfter in Streit. Dorian legt dadurch immer mehr von seiner Zurückhaltung und seiner Schüchternheit ab, sodass er bald selbst fasziniert von seiner Schönheit und dem Porträt ist, das Basil von ihm angefertigt hat. Und er wünscht sich, dass er für immer so jung und gutaussehend sein kann wie auf dem Gemälde...Es ist schon leicht ironisch, dass sich Oscar Wilde ausgerechnet mit "Das Bildnis des Dorian Grey" ein Denkmal gesetzt hat - ein Werk, das niemals zu verblassen scheint und zu seinen bekanntesten Geschichten gehört. Auch heute noch ist der Roman immer noch äußerst lesenswert, was auch die wunderschöne Schmuckausgabe in der "Biblioteca Obscura" beweist. Dabei sind zunächst keinerlei übernatürlichen Elemente sichtbar, und das bleibt auch so für einige Zeit. Denn zunächst wird die Faszination von Basil und Henry für die Titelfigur intensiv beschrieben, auch sein Aufstieg in der Oberschicht und seine damit erstarkende Eitelkeit sind dabei Themen. Erst spät schleicht sich langsam der Verdacht ein, dass hinter Dorians Hedonismus mehr steckt, dass es eine Art dunkle Macht gibt. In der zweiten Hälfte der Geschichte wird dies immer prägnanter, der Schrecken weitet sich aus, ist aber immer noch nicht greifbar - ein sehr gelungener Spannungsaufbau, der in einigen ausgesprochen markanten Szenen seinen Höhepunkt findet.Sprachlich ist das sehr ansprechend und atmosphärisch, durchaus aber auch anspruchsvoll geraten - die Zeilen lesen sich wegen der gealterten Sprache nicht so leicht herunter. Aber genau darin liegt für mich auch sehr Reiz, da man eben dadurch in die damalige Zeit entführt wird. Unterstrichen wird dies durch die wunderschöne Aufmachung dieser Neuauflage, zahlreiche Bilder reichern die Stimmung an - mal ganzseitig, oft aber auch nur kleinere Motive wie eine Rose, die sich in eine Ecke drückt. Der Detailreichtum, der den schwarz-weißen Zeichnungen zu eigen ist, macht die Bilder umso faszinierender."Das Bildnis des Dorian Gray" ist mit seiner intensiven Stimmung der viktorianischen Zeit und Themen wie Eitelkeit, Hedonismus und Dekadenz immer noch sehr lesenswert, zumal auch die unheimlichen und düsteren Momente einen wahren Klassiker der Schauerromantik geschaffen haben. Die wunderschöne Ausgabe lädt zum Entdecken ein, sodass man sich dem ursprünglichen Text verfremdet, aber mit zusätzlichen Eindrücken widmen kann.