Heldin ohne Selbstreflexion bekommt ihre Quittung.
Die spannende Grundidee (Vampirkönig, alternatives England) geht leider unter. ¿¿¿¿
Meine Eindrücke & GefühleEs war so anstrengend, dass ich das Buch schon nach weniger als 100 Seiten abgebrochen hatte. Dann tauchte es im Audible-Abo auf - also habe ich ihm noch einmal eine Chance gegeben. Und ganz ehrlich: Ohne Dagmar Bittner hätte ich es wieder weggelegt. Ihre warme, weiche Stimme macht die Geschichte zumindest erträglich.Mein Hauptproblem: Die Protagonistin Florence. Sie ist selbstgerecht, unreflektiert und unehrlich. Solchen Menschen gehe ich privat aus dem Weg - ihnen stundenlang zuhören zu müssen, war quälend.Dazu kommt: Die Romantasy-Tropes (Enemies to Lovers, Grumpy & Sunshine, Secret Identity, Villain-Reveal, Slow Burn, "kriegerische" Heldin) sind zwar alle da, wirken aber mit wenig Feingefühl und Kunst zusammengefügt und überladen zusammengewürfelt. Und als der Spice endlich einsetzt, wirkt es hastig reingeschoben - als müsste die Autorin ihre Pflichtpunkte dort abarbeiten.Am Ende nimmt die Handlung zwar Fahrt auf, aber Florence bleibt unerträglich. Da sie ihre Prioritäten zwischen Liebe und Loyalität nicht klärt und sich ständig selbst belügt, war der Cliffhanger für mich keiner. Eher die logische Konsequenz: Wer sich nie reflektiert, muss halt mit dem Ergebnis leben.Meine HighlightsErzählperspektive: Ich mag die Ich-Perspektive, weil sie normalerweise Nähe schafft.Grundidee: Ein alternatives England mit einem vampirischen König - das hat Potenzial.Vampire: Ich lese grundsätzlich gern über sie.Die letzten Seiten: Bitter, aber konsequent - eine Heldin ohne Selbstreflexion bekommt ihre Quittung.Was für mich schwächer warFlorence: Selbstgerecht, unreflektiert, dann wieder voller Selbstmitleid. Fast körperlich unangenehm, ihr zu folgen. Sie wirkt weder wie eine toughe Rebellin noch wie eine Frau Mitte zwanzig. Selbst in Kampfszenen, für die sie ausgebildet wurde, stolpert sie mehr, als dass sie kämpft.Handlung: Über die Hälfte des Buches passiert kaum etwas außer endlosem Gemecker über die Vampire. Langgezogen und ermüdend.Ich-Perspektive: Viel Gedanken, wenig Gefühle - ich konnte nicht mitfühlen.Romantik: Von Null auf Hundert. Erst beschimpft sie ihn, dann plötzlich Liebespaar nach einem Konzert und einem Kartenspiel. Null Entwicklung, null Chemie.Weltbau: Die Grundidee ist spannend, bleibt aber oberflächlich. Man erfährt kaum etwas über die Welt.HörbuchDagmar Bittner liest großartig, wie immer. Sie verleiht den Figuren Wiedererkennungswert - allerdings spricht sie Florences Ablehnung so glaubhaft und mit soviel Arroganz, dass ich die Protagonistin noch weniger leiden konnte.EmpfehlungVielleicht für alle, die noch nie Romantasy gelesen haben und einen ersten Einstieg suchen. Alle anderen: Es gibt definitiv viel Besseres da draußen.