Es ist schon eine Weile her, dass ich Ken Folletts "Eisfieber" gelesen habe. Als ich aber festgestellt habe, dass es schon über 20 Jahre sind, musste ich erst einmal tief durchatmen. Jetzt habe ich das Buch in der Neuauflage noch einmal gelesen. Ein spannendes und durch die Covid-Pandemie gruselig aktuelles Krimi-Element trifft auf Familientragik und eine Liebesgeschichte. Für mich hat das Buch in den 20 Jahren nichts an der Spannung verloren.Aber von vorn.Stanley Oxenford, Chef der schottischen Pharmafirma Oxenford Medical, plant für die Weihnachtsfeiertage ein Familientreffen in seinem Anwesen Steepfall. Die beiden Töchter des verwitweten Patriarchen samt Partner und Kindern haben zugesagt, und überraschend hat auch Sohn Kit sein Kommen angekündigt. Kit verfolgt allerdings ein ganz eigenes Ziel mit seiner Anwesenheit. Er ist das schwarze Schaf der Familie, der studierte Informatiker war vom eigenen Vater wegen Diebstahls aus der Firma geworfen worden. Jetzt hat der Junior Spielschulden in schwindelerregender Höhe, die er dringend begleichen muss. Parallel dazu bricht im Firmensitz von Oxenford Medical Panik aus. Die Firma hat sich auf die Herstellung von Impfstoffen spezialisiert und bei einer Bestandskontrolle wird das Fehlen von zwei Proben eines experimentellen antiviralen Medikaments festgestellt. Ein Laborant, der außer den beiden Proben auch eines der Versuchstiere aus dem BSL4-Labor (Labor mit der höchsten Sicherheitsstufe) entwendet hat, wird mit schweren Blutungen in seinem Gartenschuppen aufgefunden, kurz danach stirbt er. Offensichtlich hatte er sich bei dem Versuchstier mit Medoba-2 angesteckt, einem Virus aus der Ebola-Familie. Die Infektion mit diesem Virus verläuft zu 100 Prozent tödlich. Für Antonia "Toni" Gallo, ehemalige Polizistin und jetzt Sicherheitschefin der Firma, rücken ruhige Weihnachten mit ihrer Mutter in weite Ferne. Die Firma hat sich vom Aufruhr wegen des toten Laboranten noch nicht erholt, als vier Kriminelle eindringen und das tödliche Virus stehlen. Tonis Jagd auf die Diebe wird durch einen Schneesturm enorm erschwert, deren Flucht verläuft aber ebenfalls anders als geplant und so treffen sich alle Beteiligten in Steepfall."Eisfieber" ist ein dicht gepackter spannender Krimi. Die Handlung erstreckt sich über knapp drei Tage, wodurch nur wenig Leerlauf entsteht. Erzählt wird die Geschichte in drei Handlungssträngen: aus Sicht von Toni Gallo, aus Sicht der Oxenford-Familie und aus Sicht der Gangster. Nach einer Weile werden die Erzählstränge zusammengefügt. Sprachlich ließ das Buch sich, wie ich von Ken Follett gewohnt bin, gut und flott lesen. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, vor allem die "Bösen" finde ich sehr bildhaft dargestellt. Sowohl die Krimi-Aspekte als auch die Familienstreitigkeiten finde ich sehr realistisch erzählt. Allerdings bedient Ken Follett vielleicht ein bisschen zu viele Klischees. Junge, hübsche Frau mit Durchblick muss sich gegenüber weißen, cis-heteronormativen Machos beweisen und an mehreren Fronten kämpfen (sie muss sich überraschend über die Feiertage um ihre Mutter kümmern, es gibt Ärger mit dem ex-Freund und sie wird von einem Journalisten verfolgt), dazu kommt ein älterer reicher Witwer mit erwachsenen Kindern, die hauptsächlich Angst um ihr Erbe haben. Auf der anderen Seite sind skrupellose und brutale Kriminelle und das Mastermind, das hinter ihnen steht und das alles spielt sich in einer durch den Schneesturm ziemlich klaustrophobischen Atmosphäre ab.Der Spannungsbogen wird von der ersten Seite an kontinuierlich aufgebaut, er ist überwiegend sehr hoch, nur bei den Ausflügen ins Privatleben der Protagonisten flacht er etwas ab, was ich aber manchmal als willkommene Verschnaufpause gesehen habe. Der Schluss kam hingegen für mich ein bisschen sehr abrupt. Trotz aller Spannung und einigen blutigen Szenen schafft Ken Follett es aber sogar, ab und an etwas Humor einzubauen. Ich fand das Buch auf jeden Fall auch beim zweiten Lesen spannend und ich habe die Lektüre genossen, von mir gibt es fünf Sterne.