
Besprechung vom 24.11.2025
Die Rache der PMG
Cornelia Funke schreibt die "Gespensterjäger" fort
Schon klar, das Fest der Liebe kann Tom Tomsky gestohlen bleiben: "keine Weihnachtspullover mehr, kein 'Tom, du kannst doch sicherlich irgendein Weihnachtsgedicht auswendig?', kein Vorspielen von Begeisterung bei scheußlichen Geschenken", so das Wunschdenken an Heiligabend. Aber gegen das, was er stattdessen an den drei Festtagen erlebt, hätte Tom die Stunden im Familienkreis vielleicht doch gern eingetauscht. Dünnbrett-Bohrer-Dieter, den Freund von Tante Evelyn, eingeschlossen.
Obwohl: gern? Immerhin wird der zwölf Jahre alte Junge nicht umsonst zu den Top 20 der besten Gespensterjäger auf der ganzen Welt gezählt. In vier Büchern hat Cornelia Funke bereits von seinen Abenteuern an der Seite von Hedwig Kümmelsaft und Hugo, selbst ein mittelmäßig unheimliches Gespenst (MUG) und eine große Hilfe in den Abenteuern des Trios, erzählt. Mehr als dreißig Jahre nach "Gespensterjäger auf eisiger Spur", dem ersten, und fast 25 Jahre nach "Gespensterjäger in großer Gefahr", dem bislang letzten Band, bekommt das Team von Kümmelsaft und Co. es jetzt mit einem Weihnachtsspuk zu tun. Und die Gefahr war nie größer.
Bislang hatten sich die drei auf das Fachwissen anderer Experten verlassen können, auf die sorgfältige Dokumentation der Erscheinungen und bewährter Überwältigungsverfahren in der Datenbank Professioneller Gespensterjäger (DPG). So wie sich die Leser auf den akribischen Einsatz von Abkürzungen verlassen und freuen können, mit denen die Gespenster dort beschrieben und klassifiziert werden. Doch beim WBS, dem Weihnachtsbaumspuk, gibt es ein Problem: Die meisten Profis bezweifeln seine Existenz. Genau genommen gibt es nur eine Gespensterjägerin, die behauptet, diesem Phänomen begegnet zu sein, die es beschrieben hat und immer wieder auf Konferenzen auf seine Gefährlichkeit hinweist. Selbst auf die Gefahr hin, dafür nichts als Spott zu ernten. Und den erntet sie reichlich.
Noch genauer genommen, und die DPG nimmt es sehr genau, muss es leider heißen, es gab diese einzige Kollegin. Denn, so heißt es dort im WBS-Eintrag, Dr. Helga Blümlein ist bei ihrem letzten Einsatz verschwunden. Dafür kann an der Existenz von WBS kein Zweifel mehr bestehen, jedenfalls für Tom und seine beiden Freunde: Immerhin hat sich der seltsam nach Eukalyptus riechende Weihnachtsbaum, den Familie Tomsky diesmal ohne Tom nach Hause gebracht hatte, vor den Augen des Zwölfjährigen in ein Wesen mit Zweigen wie Krallen, mit Tannennadeln wie Igelstacheln und mit zu Augen gewordenen Christbaumkugeln verwandelt, das sich als Erstes Toms Schwester Lola geschnappt hat, dann alle anderen, um sie in Weihnachtsbaumfiguren aus Plastik, Filz, Glas oder - im Fall des Freundes der Tante - Blech zu verwandeln und sich in die Zweige zu hängen. Einzig Tom konnte entkommen - mit knapper Not und Kratzspuren auf dem Rücken, die sich in Plastik verwandelt haben.
Mit der "Tintenwelt"-Tetralogie und den "Reckless"-Bänden hat Cornelia Funke ihre ersten Buchreihen aus den Neunzigerjahren, zu denen neben den "Gespensterjägern" auch die "Wilden Hühner" gehören, weit hinter sich gelassen. Und doch wirkt es, als sei die international erfolgreichste deutsche Kinder- und Jugendbuchautorin nicht nur zur Freude der jüngeren Freunde ihrer älteren Bücher, sondern noch dazu mit eigenem Vergnügen zu ihren Spuk-Experten von einst zurückgekehrt. Es zeigt ihre Meisterschaft, wie ihr auch diesmal gelingt, aus einer abstrusen Idee ein Maß an Spannung zu entwickeln, das junge Leser von acht Jahren an fordert, ohne sie zu überfordern. Der Humor kommt nicht zu kurz, doch er geht nie auf Kosten des Grusels. Die Eigenheiten, das Zusammenspiel und der Zusammenhalt der drei Gespensterjäger, aber auch Toms Sorge um seine Familie, die er immerhin in Seidenpapier gepackt in einem Karton vor dem WBS verstecken konnte, all das findet seinen Platz in der Geschichte, ohne dass das Tempo darunter leidet.
Kann Kümmelsaft und Co. dem Weihnachtsbaumspuk, der sich durch den Verzehr von Kunstdünger immer weiter auswächst, ein Ende machen? Oder ihn, besser noch, nur kampfunfähig? Schließlich müssen die drei ja noch aus ihm herausbekommen, wie sie all den Weihnachtsbaumfiguren wieder zu ihrer ursprünglichen Größe und ins Leben zurück verhelfen können! Wie sie den Spuk mit Hilfe der Kollegin - "Nennt mich einfach Blümlein!" - mit dessen eigenen Waffen schlagen, wird auch kleinen Festtagsmuffeln große Augen und ein Lächeln abnötigen. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Cornelia Funke: "Gespensterjäger und der Weihnachtsspuk".
Mit Illustrationen von Franziska Blinde. Loewe Verlag, Bindlach 2025. 176 S., geb., 14,95 Euro. Ab 8 J.
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