
Besprechung vom 03.11.2025
Lakonie auf See
Krimis in Kürze: Weigold, Bischoff und Mathijs Deen
Wenn Verbrechen sich mit Glamour, wenn Prominenz sich mit allerlei Perversionen mischen soll, dann gibt es keinen besseren Schauplatz als das klassische Hollywood. Christoph Weigold hat vor sieben Jahren erstmals seinen Detektiv Hardy Engel auf den Sunset Boulevard und in die Filmstudios geschickt: ein deutscher Einwanderer, der schon 1920 seine Heimat verließ und es wie so viele dann doch nicht zum Schauspieler brachte. Jetzt, im fünften und letzten Band der Reihe, sind wir im Jahr 1932, mitten in der Wirtschaftskrise, Engel hat im Gefängnis gesessen und wohnt mit Freundin samt Mops in einem kleinem Haus in Hollywood.
Auch der "Der deutsche Tycoon" (Kampa, 606 S., br., 26,- Euro) bedient sich für seinen Fall aus der Bibel der Perversionen, aus Kenneth Angers berüchtigtem Buch "Hollywood Babylon", der reißerischen Skandalchronik, in der böswillige Erdichtung und trübe Wahrheit kaum auseinanderzuhalten sind. Die Titelfigur ist Paul Bern, Produzent bei Metro-Goldwyn-Meyer, Kurzzeit-Ehemann von Jean Harlow. Er wird nackt und tot in seinem Badezimmer aufgefunden. Wie damals im richtigen Leben. Und zufällig ist er ein alter Freund von Engel. Weigolds Buch ist auch diesmal akribisch recherchiert, Fiktives und Reales gehen nahtlos ineinander über.
Nur dieser Hardy Engel ist leider über die Jahre hinweg immer recht farblos geblieben, zu anständig für diese Welt. Und so gern man noch mal eintaucht in die goldenen Zeiten Hollywoods, etwas straffer hätte es schon sein dürfen, ohne einige Rekapitulationen und manche Wikipedia-hafte Erläuterung.
Von Hollywoods unvergänglichem Glamour will auch Sash Bischoff in "Sweet Fury" (S. Fischer, 396 S., geb., 24,- Euro) zehren. Der etwas schiefe deutsche Titelzusatz "Zärtlich ist die Rache" soll markieren, dass es sich nicht nur um einen Krimi, sondern auch um eine Hommage an F. Scott Fitzgeralds legendären Roman "Zärtlich ist die Nacht" von 1934 handelt.
Die erfolgreiche Schauspielerin Lila und ihr Verlobter, der Regisseur Kurt, wollen den Roman noch einmal verfilmen: in einer feministischen Version, in Zeiten von MeToo. Lila sucht zuvor einen Therapeuten auf, Kurt betrügt sie mit einer jungen Debütantin. Und schon ist man mitten in der alten Welt von Dick und Nicole Diver - nur dass "Sweet Fury" in New York und auf Long Island spielt und nicht unter Expats an der Côte d'Azur wie bei Fitzgerald.
Wer dessen Buch nicht kennt, hat zwar viel verpasst, kann Bischoffs Erzählung jedoch problemlos folgen. Fitzgerald-Leser geraten dagegen schnell in ein dichtes Netz der Anspielungen, Querverbindungen und Verschiebungen. Oder, anders gesagt: in ein großes, trügerisches Spiegelkabinett. Bischoff hat das reizvoll, mit viel Geschick und Respekt vor Fitzgerald inszeniert, wenngleich sie mitunter etwas zu blumig und parfümiert schreibt und im Finale einem Hang zur Überkonstruktion erliegt, weil sie ihre Rachestory so raffiniert vollenden will, dass die Plausibilität dabei Schaden nimmt.
Dass ein Autor mit jedem Buch einer Serie noch besser wird, kommt nicht allzu oft vor. "Die Lotsin" (Mare, 368 S., geb., 23,- Euro) ist der mittlerweile vierte Auftritt von Liewe Cupido, Insulaner aus Texel, Sohn eines Fischers und einer Meeresforscherin, Kommissar bei der Bundespolizei See. Und der Niederländer Mathijs Deen, der vor drei Jahren mit "Der Holländer" die Bühne betrat (F.A.Z. vom 7. März 2022), legt auch diesen Plot wieder ganz anders an. Man fragt sich bald, warum ausgerechnet die Lotsin, die bei schwerer See ein Forschungsschiff nach Cuxhaven bringen soll, die titelgebende Figur ist; man wundert sich, dass Cupido erst auf Seite 81 ins Geschehen eingreift, folgt gespannt den Perspektivwechseln - und begreift vom Ende her, wie souverän Deens erzählerische Strategie aufgeht.
Er lässt sich nicht gängeln von vermeintlichen Krimiregeln, er geht stur und in gewohnt lakonischem Stil seinen Weg, um sicher und verlässlich im Hafen anzukommen. Wie Cupido hält er sich bei einem unklaren Todesfall auf See an das, was da ist, anstatt kühne Vorstellungen zu entwickeln, wie es gewesen sein könnte. Viel mehr soll hier gar nicht verraten sein - am besten begibt man sich lesend direkt hinein in diesen Nordseeküstenkosmos. PETER KÖRTE
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